Freitag, 28. August 2009
Tierliebe
Kapitel 1

Heute morgen an der Haltestelle. Ich sehe auf dem alten Messeparkplatz gegenüber eine kleine Zeltstadt wachsen. Das tut sie schon seit Tagen. Aber heute früh hat man dann ein Schild angebracht, auf dem gut lesbar steht: „Große Reptilienausstellung“. Oha, zwei Wochen lang eine beachtliche Ansammlung hochgefährlicher Kreaturen in 100 Meter Entfernung zu meiner Haustür. Prima. Einmal nicht aufgepasst, und schwupps wird die WG um zwei, drei Mitbewohner größer, zumindest bis zum ersten Abendessen der neuen Kollegen ...
Ich lasse mir die keimende Unruhe nicht anmerken und lächle über die anzüglichen Witze der Mitwartenden an der Haltestelle. Ich weiß, dass am anderen Ende des Messegeländes ein Zirkus seine Vorstellungen gibt und schlage einen Standorttausch vor. Denn einen Elefanten sähe man rechtzeitig, wenn er die Straße in Richtung Haustür überquert. Und die 4 Stockwerke bis zu unserer Wohnung muss so ein Elefant auch erst mal schaffen. Alle lachen. Ich lächle souverän zurück.
Und dann verliere ich die Kontrolle über mich ...

Kapitel 2

... denn aus den Augenwinkeln sehe ich sie anfliegen:
Eine hinterhältige, gemeine und gemeingefährliche Wespe. In der für Wespen so typischen unbeirrbaren, sturen Art.
Also nach dem Motto, „hier will ich jetzt hin, und wenn dich das ärgert, will ich es um so mehr“.
Mir ist klar, dass ich jetzt nicht hektisch reagieren darf. Also mache ich ganz sanfte, wohl dosierte Bewegungen: innerhalb von Zehntelsekunden durchschneiden alle meine Arme und Hände in einer ausgeklügelten Choreografie die Luft (tja, Frau Cherrybite, hier lüftet sich also das Geheimnis um die Quelle meines legendären Händefuchtelns ... :o)). Parallel dazu mache ich ein paar genau einstudierte Schritte, um die Wespe zu verwirren und ihre Flugbahn umzulenken.
Klappt nicht. Die Mitwartenden sind verwirrt, die Wespe nicht. Sie fliegt mir gegen den Kopf. Irgendwie erwische ich sie mit der vorsichtig heransausenden Handkante und schlage dazu behutsam und kontrolliert mit meiner Tasche um mich. Aber sie verschwindet nicht. Stattdessen setzt sie sich auf den Rand meiner Brille und macht Anstalten, hinter das Brillenglas zu kriechen. In aller Ruhe reiße ich mir die Brille vom Kopf und wedle mal schlappe 400 Euro durch die Luft. Aber die Wespe sitzt nicht mehr auf der Brille. Sie sitzt jetzt über meinem Auge und streift mit ihrem Hinterteil ganz leicht meine Schläfe. Der ideale Platz, an dem man als Wespenallergiker seine persönliche Wespe sitzen haben sollte.
Dann sehe ich die Straßenbahn kommen, etwas verschwommen, weil ich die Brille immer noch in die Luft halte. Und plötzlich ist sie weg, die Wespe. Mit ganz langsamen Schritten springe ich in die Bahn und hoffe, das Vieh bleibt draußen. Tut es auch.
Und ich bin wieder einmal froh, dass ich mich an die guten Ratschläge gehalten habe. Nicht in Panik verfallen. Klar.

Epilog

Ich mag Tiere. Echt.

***

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