Mittwoch, 29. November 2006
Kühe, Kosmos, Katastrophen (Vollversion)
kuhlumbus, 09:58h
Nachdem wir hier schon das eine oder andere Mal über das besondere Interesse der Aliens an unseren schwarz-weiß-gescheckten Rindviechern spekuliert haben, an dieser Stelle mal eine Hintergrundgeschichte.
Und wie versprochen, hier jetzt der komplette Text. Aber Vorsicht, es sind eine Menge Buchstaben, Vorlesedauer ca. 25 Minuten ... :o)
>> da isser :o)
Und wie versprochen, hier jetzt der komplette Text. Aber Vorsicht, es sind eine Menge Buchstaben, Vorlesedauer ca. 25 Minuten ... :o)
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kuhlumbus,
Mittwoch, 29. November 2006, 09:58
Götterspeise
Der Tag begann wie jeder andere in diesem Sommer. Am östlichen Horizont hatte sich das Schwarz der lauen Nacht aufgelöst und so langsam begann die Sonne, den über den Wiesen liegenden Morgennebel aufzusaugen.
Wäre Liesbeth eine junge Frau, würde sie darin einen gewissen Hauch Romantik entdecken können. Obwohl, bei den jungen Frauen heutzutage kann man sich da nicht mehr wirklich sicher sein. Ist aber auch egal, denn Liesbeth ist keine junge Frau. Sondern eine alte Kuh. Und dazu noch die Leitkuh einer Herde, die man lieber im Blick behalten sollte. Deshalb war Liesbeth ganz froh, dass der Nebel jetzt endlich verschwand, und sie keine Angst haben musste, irgendwen oder irgendetwas zu übersehen.
Alle waren da. Etwas weiter weg von der Herde stand die ehrwürdige Berta. Seitdem sie mal ein altes Lexikon gefressen hatte, dachte sie dauernd über irgendwelche komplizierten Dinge nach, ohne sie wirklich zu verstehen. Manchmal vergaß sie aber vor lauter Herumgrübeln das Fressen, weshalb sie auch nicht ganz so dick war, wie zum Beispiel Adelheid. Die dazu noch Rekordmengen an Milch gab und inzwischen so rund war, wie die Medaillen, die die Menschen ihr ständig um den Hals hängten. Um Adelheid herum stolzierte die intrigante Silke. Eine ausgemachte Zicke, die den ganzen Tag nichts Besseres zu tun hatte, als sich mit den anderen herumzustreiten, um sich dann wieder hinter Adelheids gewaltigem Körper zu verstecken. Am häufigsten hatte sie es auf Gasoline abgesehen.
Gasoline war eine Seele von einer Kuh, hatte allerdings seit ihrer Kindheit mit massiven Verdauungsstörungen zu kämpfen. Damals hatten üble Rabauken sie stundenlang am Stromzaun stehen lassen, und seitdem machte sie dauernd unheimliche Geräusche und rülpste ununterbrochen durch die Gegend. Unseren „Methandampfer“ nannte Silke sie immer.
Bei dem Gedanken an den Stromzaun stutzte Liesbeth. Etwas stimmte heute morgen nicht und sie wusste auch sofort, was. Das leise Surren des Stromzaunes fehlte! Liesbeth ging zu dem Kasten, aus dem die Drähte des Zaunes ihren Strom bekamen.
Schon von weitem sah sie, dass etwas damit nicht in Ordnung war. Eine grünliche, gallertartige Masse zog sich über den Stromkasten. Es sah aus, als würde sich diese Masse zitternd bewegen, was wohl daher kam, dass immer mal ein Funken aus dem Kasten schlug, begleitet von einem leisen Zischen.
Liesbeth besah sich das Ganze und wurde wütend. Das konnte doch nicht wahr sein! Sie drehte sich zu den andern um.
„Kommt mal alle her! Sofort!“
Arlamiert durch den Ton in Liesbeths Stimme trotteten die Kühe zu ihr herüber, selbst Silke verkniff sich das Herumnölen.
Liesbeth wies mit dem Kopf auf den Stromkasten.
„Wer von euch war das? Welche blöde Kuh hat ausgerechnet auf diesen Stromkasten geschissen?“
Die Kühe starrten ihre Chefin an und schwiegen. Nur Silke schaute auf die sprühenden Funken und flüsterte: „Auweia, das muss ganz schön im Hintern gezuckt haben.“
Liesbeth sah verärgert auf Silke. Silke aber blickte unschuldig zu Gasoline hinüber. „Hey, vielleicht hat unser kleiner Vulkan was dazu zu sagen!“
Gasoline schüttelte mit dem Kopf. „Nein, das war ich nicht. Mein, ähm, Zeugs sieht im Moment ganz anders aus. Ich hab doch wieder, na ja, ihr wisst schon...“ Gasoline schaute entschuldigend in die Runde.
„Vielleicht hat sie recht, das hier stinkt auch gar nicht nach Gasoline!“ Silke war vorsichtig an den Kasten herangetreten und schnupperte an der grünen Masse.
„Weg da!“ Liesbeth schüttelte den Kopf. „Wer immer das auch war, jetzt gibt’s Ärger. Der Strom ist weg und bald haben wir hier Menschen, die daran rumbasteln werden. Die Krach machen, über die Wiese laufen und die auf uns schimpfen werden. Und nur wegen der blödsinnigen Kleckerei dort. Also macht das wenigstens weg, wer immer das von Euch auch war!“
Die Kühe starrten ratlos in die Runde. Keine war es gewesen, oder wollte es gewesen sein. Zumal gerade jetzt wieder große Funken aus dem Kasten schlugen. In kleinen, wie zufällig gesetzten Schritten wichen die Kühe zurück. Bis auf eine.
„Halt! Lasst mich durch! Hufe weg vom Stromkasten!“
Heidemarie drängelte sich aufgeregt nach vorn. Sie war sonst eher unauffällig, sehr schweigsam und leicht zu übersehen. Aber jetzt schnaufte sie vor Aufregung und stand zitternd vor ihrer Chefin.
Liesbeth runzelte die Stirn. „Du warst das?“
„Nein nein. Aber ich muss das jetzt fressen. Jetzt gleich.“
„Was??“
Während Liesbeth und die anderen Kühe entgeistert auf Heidemarie starrten, stampfte diese an Liesbeth vorbei, beugte sich zum Stromkasten, öffnete ihr Maul und sog die grüne gallertartige Masse in sich herein. Funken sprühten, es zischte, und es roch nach angesengtem Fell. Heidemarie schluckte noch einmal, bevor sie laut rülpste.
„Oh Gott, jetzt haben wir noch eine Gasoline!“ flüsterte Silke und versteckte sich hinter Adelheid.
Liesbeth versuchte, ihre Fassung zu bewahren. „Also Heidemarie, jetzt bist du uns aber eine Erklärung schuldig!“ Die anderen Kühe nickten und rückten wieder in die Mitte vor.
Heidemarie schüttelte sich noch einmal und blickte in die Runde.
„Liebe Kühe! Ich freue mich, zu euch sprechen zu dürfen!“
Gasoline grinste. „Hey, was war das denn für Kraut?“
„Halt die Klappe!“ Liesbeth drehte sich wieder zu Heidemarie. „Schön, wir freuen uns auch. Und jetzt?“
„Liebe Kühe. Ich spreche zu euch jetzt nicht als Kuh sondern als Außerirdischer.“
Gasoline verdrehte die Augen und schaute verschwörerisch zu den anderen Kühen.
„Ich bin zu Euch geschickt worden, um mit der hier herrschenden Spezies Kontakt aufzunehmen. Wir haben lange gebraucht, um zu begreifen, dass ihr nicht die Herrscher auf diesem Planeten seid, sondern diese nackthäutigen Zweibeiner, die Menschen. Wir hatten uns geirrt, ein dummer Fehler, kann aber mal passieren. Und jetzt seid ihr die einzigen Lebewesen auf diesem Planeten, mit denen wir kommunizieren können. Ohne euch kommen wir nicht an die Menschen heran. Also bin ich hier, um eure Hilfe zu erbitten. Wir müssen den Kontakt herstellen. Heute noch.“ Heidemarie blickte unnatürlich breit lächelnd zu ihren Freundinnen.
Die Kühe standen wie erstarrt um die zähnebleckende Heidemarie herum.
Keine sagte auch nur ein Wort, was sollten sie darauf auch antworten.
„Ja nun, liebe Kühe. Wie machen wir das jetzt?“
„Als erstes solltest du mal mit dem „liebe Kühe“ aufhören.“ Liesbeth schüttelte mit dem Kopf. “Kannst du nicht wieder normal mit uns reden? Und uns erklären, was das Stück zitternde Gelatine mit Außerirdischen zu tun hat?“
„Na ja, das ist eine ihrer Erscheinungsformen, viel besser kriegen sie das nicht hin, hier auf der Erde. Darum brauchen sie auch so was wie einen Wirt, der es im Stück verschluckt, ohne es gleich zu verdauen. Deshalb haben sie uns ausgesucht. Und das grüne Alien hat mich gerufen, irgendwie, also hab ich's geschluckt. Und jetzt ist es nicht nur in meinem Magen sondern auch in meinem Kopf.“
„Oh das kenne ich“, sagte Berta. „Das geht auch nicht wirklich wieder weg, aber man kann sich dran gewöhnen.“
„Klar.“ Silke lachte. „Dann ist man nicht immer so allein und kann sich prächtig mit sich selbst unterhalten. Und wenn...“
„Nein!“ Heidemarie unterbrach sie. „Das ist weder Spaß noch irgendeine Krankheit. Ich muss so schnell wie möglich in die Stadt. Da ist ein großes Haus, in dem forschen die Menschen daran, Kontakt mit Außerirdischen aufzunehmen. Denen muss ich eine Nachricht überbringen. Heute noch. Sonst ist es zu spät.“
Liesbeth blickte misstrauisch auf Heidemarie. „Und wer beweist mir, dass das alles mehr ist, als nur ein raffinierter Versuch von dir, hier auszubrechen?“
„Ach, das ist einfach. Seht ihr dahinten, das kahle Feld? Das Alienraumschiff wird jetzt einen Strahl herunterschicken, der das Feld in eine saftig grüne Wiese verwandeln wird. Moment.“
Heidemarie konzentrierte sich und blickte in den Himmel. Wie auf Kommando folgten die Kühe ihrem Blick und starrten nach oben. Silke wollte gerade das Maul aufmachen, um laut und gehässig „April, April!“ zu rufen, als ein riesiger Blitz aus dem wolkenlosen Himmel auftauchte und neben der Herde im Feld einschlug. Es krachte gewaltig, Erdbrocken und Steine wirbelten durch die Luft. Als sich der Staub legte, erblickten die Kühe neben sich einen riesigen Krater. Und ringsum Trümmerstücke von Steinen und verteilte Erde. Keine neue Wiese, und von ihrer alten war auch nicht mehr viel zu sehen. Voller Entsetzen drehten sie sich zu Heidemarie um. Die war zum Krater gelaufen und tanzte verzückt am Abgrund herum. „Ha, es funktioniert noch! Wahnsinn! Einfach Klasse!“ Dann sah sie den Rest der Herde auf sich zu kommen. Bedeckt von braunem Staub, Enttäuschung und Wut in den Augen.
„Also bloß keine Panik, Mädels. Ist doch keinem was passiert. Und das mit dem Gras holen wir bei Gelegenheit noch nach, da ist wohl etwas nicht ganz in Ordnung auf dem Raumschiff. Aber als Beweis sollte das doch ausreichen, oder?“ Zwinkernd zeigte sie mit dem Kopf zum Krater.
„Na toll, und mit dem nächsten Blitz werden wir gegrillt, oder was?“ Silke ließ ein wütendes Brummen hören.
„Mach mal halblang. Jetzt geht’s auch sicher schneller, dass hier ein paar Menschen vorbeikommen. Versucht doch einfach mir und diesem Gelantine-Alien zu glauben. Und helft mir!“ Bittend schaute sie zu Liesbeth.
„Gut, spielen wir das Spiel mit. Was sollen wir denn deiner Meinung oder nach Meinung der Aliens jetzt tun?“
Heidemarie war erleichtert. „Also, als erstes malen wir hier ein paar Formeln in den Sand.“
„Klar, Sand ist ja jetzt genug da.“ Silke wieder.
Aber Heidemarie ließ sich nicht aufhalten.
„Ich zeig euch, wie das geht. So, schön groß. E=mc2, dann hier noch was, wartet, ich mals klein auf, ihr müsst es denn noch größer machen, am besten da vorne!“
„Und was ist das jetzt?“ Liesbeth deute auf die zweite Formel.
„Ach, das ist die Heisenbergsche Unschärferelation. Eine Aussage über Ort und Impuls von Teilchen, dass beides aus Prinzip nicht gleichermaßen exakt bestimmbar ist.“
Liesbeth nickte, ohne auch nur irgend etwas zu verstehen. „Weißt du was, wir machen das anders. Ich habe da eine Idee! Lass mich mal machen.“ Es war auch keine Zeit mehr für große Erklärungen, denn von weitem hörte man schon ein Auto näher kommen. Die Menschen hatten sich nicht viel Zeit gelassen, um nach der Explosion und nach den Kühen zu sehen.
Der größere der beiden Männer saß hinter dem Lenkrad und betätigte den Blinker. Das Auto bog auf den Feldweg ein.
„Ich sag's dir, das war eine alte Fliegerbombe.“
„Quatsch, da ist ein Flugzeug abgestürzt. So eine Bombe geht doch nicht von alleine hoch.“
Im nächsten Moment fuhren sie an dem tiefen Krater vorbei, den die Explosion in das Feld gegraben hatte.
„Oh Scheiße, da ist wohl ein Flugzeug auf eine Bombe gestürzt!“
Noch bevor der Beifahrer seinen Kommentar dazu abgeben konnte, blieben ihm die Worte im Halse stecken. Vor ihnen standen die Kühe. Alle 12 Tiere der Herde. Exakt in einer Linie, der Größe nach sortiert. Es schien, als würden die Kühe die beiden Männer erwartungsvoll anlächeln. Und vor den Kühen stand in großen Buchstaben in den Sand gemalt: „Härzlich Halo! Bitte Statt mitnehmen!“
Die beiden Männer sahen sich an.
„Was soll denn das?“ Der kleinere ging auf die Kühe zu, während der Fahrer zum Krater ging.
„Mann schau dir das an! Das Loch geht ja bald bis zur anderen Seite durch!“
„Ja, komm schon, lass den Kram, da werden sich andere drum kümmern. Wir sollen die Kühe mitnehmen.“
Kopfkratzend stand er vor der Herde.
„Wieso steht hier „Statt mitnehmen“? Wer hat denn das geschrieben? Hallo, ist hier noch jemand?“ Er blickte sich zum Fahrer um. „Komm jetzt endlich her und hör auf, da im Schutt herumzubuddeln!“
Der Lange kam aufgeregt angelaufen. „Hier, schau dir das an. Das war sicher ein UFO!“ Triumphierend hielt er die zusammengeschmorten Reste des Stromkastens in der Hand. „Das ist garantiert was Außerirdisches!“
„Blödsinn. Du und deine UFO-Macke! Hilf mir jetzt, die Kühe einzuladen, die stehen doch schon in Reih und Glied da. Und dann ab in den Stall. Wer weiß, was hier noch so explodiert!“
„Aber vorher fahren wir noch in die Stadt!“ Der Fahrer ließ sich nicht beirren. „ Zu dem Institut, das nach Außerirdischen sucht. Das Teil hier abgeben. Zu schade, dass wir kein Foto vom Krater machen können.“
Der kleine Mann hob resigniert die Schultern. „Ist ja gut, wir fahren eh dran vorbei. Aber du wirst dich da nur lächerlich machen. Und jetzt komm. Kümmern wir uns um die Kühe.“
Als sich der Transporter in Bewegung setzte, beruhigte Liesbeth Heidemarie. „Es läuft alles wie am Schnürchen. Nicht lange, und wir werden bei den Leuten anhalten, zu denen du willst. Wir müssen dann nur hier runter und uns irgendwie bemerkbar machen.“
Die anderen Kühe nickten, soweit die fehlende Bewegungsfreiheit auf der Ladefläche ein Nicken erlaubte.
Was die Menschen anging, vertrauten sie Liesbeth. Sie war die einzige, die ein paar Worte von dem verstand, was die Menschen untereinander sprachen. Und wenn Liesbeth sagt, das Auto fährt jetzt dahin, wo Heidemarie und der grüne Zitterschleim hinwollten, dann wird es auch so sein.
„Aber wie kommen wir hier runter?“
„Ich mach das schon,“ meldete sich Silke. „Aber dafür müsst ihr mich nachher auch mit in dieses Haus nehmen!“
Liesbeth rollte mit den Augen. „Okay, okay. Aber du machst schön das, was wir dir sagen. Es wird schwierig genug, die Menschen davon zu überzeugen, dass wir ihnen eine Botschaft zu überbringen haben.“
„Und, hat schon jemand eine Idee, wie wir es schaffen?“ Berta versuchte, in die Runde zu blicken.
„Vielleicht, mal abwarten...“ Liesbeth dachte nach.
Vorsichtig bremste der Transporter ab, bevor er zum Stehen kam. Der lange Fahrer sprang aus der Tür und lief zum Haus. „Institut für die Suche nach intelligentem außerirdischen Leben, Zweigstelle Mölefeld“ stand auf einem großen Schild an der Wand des fünfstöckigen Gebäudes. Sein Beifahrer rief ihm nach: „Ich bin drüben auf ne Bockwurst. Halt dich nicht so lange auf, wir haben heute noch ein paar ganz irdische Dinge zu erledigen.“
Beide sahen nicht die drei Kühe, die vorsichtig die Ladefläche verließen und zum Seiteneingang des Hauses trabten.
„Und wie kommen wir jetzt rein?“
„Wir stellen uns jetzt hier an, schön der Reihe nach. Und wenn jemand kommt, schauen wir ihn ganz freundlich an, und er nimmt uns mit. Hat doch vorhin auch geklappt. Oder habt ihr eine andere Idee?“ Liesbeth sah Heidemarie und Silke an. „Na also.“
Aber sie mussten nicht wirklich warten. Die Türen waren offen und groß genug für sie. Und als es scheinbar nicht mehr weiter ging, öffnete sich ein weiteres Tor aus dem zwei Menschen herauskamen. Während die beiden noch verwirrt auf die Kühe blickten, waren diese durch das Tor gegangen, das sich hinter ihnen schloss. Und vor ihnen ging es nicht mehr weiter.
„Eine Falle!“ Silke wurde laut. „Wir sind eingesperrt!“
„Ruhe!“
Ein Ruck ging durch die drei. „Was ist das? Fühlt sich an, als würden wir fahren?“
Über ihnen an der Wand stand eine große leuchtende Zahl, die sich alle paar Sekunden änderte. Wieder ein Ruck. Und dann öffnete sich das silberne Tor. ...
„Hören Sie. Natürlich haben wir die Explosion mitbekommen. Und es wird sich sicher jemand darum kümmern. Aber das Teil, das Sie da in der Hand haben, ist ein stinknormaler Stromkasten für Weidezäune. Ein bisschen zusammengeschmolzen. Aber trotzdem keine außerirdische Steuerkonsole. Also lassen Sie uns ...“
Der Mann mit dem weißen Kittel hörte auf zu reden und blickte an dem vor ihm stehenden Transporterfahrer vorbei. Auf die drei Kühe, die eben aus dem Fahrstuhl gestiegen waren.
„Aber hallo, was soll das denn?“
Die Kühe sahen den Fahrer mit einem anderen Menschen diskutieren und bewegten sich jetzt auf die beiden zu.
Der Mann im weißen Kittel schaute wütend zum Fahrer. „Sind das ihre Kühe? Was fällt ihnen ein, sie mit hier hochzunehmen? Hier stehen haufenweise empfindliche Geräte herum. Was soll der Blödsinn?“
Die Kühe blieben stehen. Es schien, als brummten sie sich leise etwas zu. Plötzlich stampften sie einmal laut und vernehmlich mit dem rechten Vorderhuf auf den Fußboden. Rummms.
Alle Mitarbeiter auf der Etage hörten sofort auf zu arbeiten, verstummten, sahen zu den Kühen. Die stampften jetzt zweimal auf. Rummms, Rummms. Die Kaffeemaschine neben den Kühen wackelte und blieb in einer gefährlichen Schräglage stehen. Irgendwo fiel etwas zu Boden und zerbrach. Ein leiser unterdrückter Schrei war zu hören. Die Kühe hoben erneut ihre Hufe.
„Halt! Um Himmelswillen!“ Der Weißkittel rannte auf die Kühe zu und sprach auf sie ein. „Ist ja gut. Ganz ruhig. Ihr seid aber kluge Kühe. Und jetzt ganz brav.“ Er drehte sich zum Fahrer um.
„Vielleicht nehmen Sie jetzt mal ihre Zirkuskühe lieber wieder mit, bevor hier noch ein Unheil geschieht!“
Heidemarie sah zu Liesbeth. „Spricht er jetzt mit uns? Ist er bereit für den Kontakt?“
„Ich weiß nicht so recht. Er scheint uns schon für klug zu halten. Versuchen wir's nochmal mit dem Muhen! Los.“
„Muh!“ Liesbeth.
„Muh! Muh!“ Heidemarie.
Dann Silke: „Muh! Muh! Muh! ... Muh! ... Mist, verzählt!“ Silke stampfte ärgerlich mit dem Huf auf. Es knirschte laut von der Seite. Wie in Zeitlupe neigte sich der Kaffeeautomat weiter nach vorn und kippte um. Es knallte und klirrte, Wasser lief über den Boden, Funken sprühten. Der Weißkittel hob die Hände über den Kopf, der Fahrer stand mit dem geschmolzenen Stromkasten in der Hand mitten im Raum und versuchte zu begreifen, was da gerade geschah. Die Institutsmitarbeiter schrien erregt durcheinander.
Da muhte Heidemarie in all den Krach hinein, so laut sie konnte. Und dann war wieder Stille. „Jetzt,“ flüsterte sie zu Liesbeth, „ich kann nicht länger warten. Ich hoffe, die Menschen sind bereit!“
Sie hustete und begann zu würgen. Nach ein paar Sekunden spuckte sie die grüne gallertartige Masse vor die Füße des Weißkittels. Erschöpft trat Heidemarie zurück, gespannt, wie es denn nun weitergehen würde. Auch die anderen beiden Kühe schauten auf das zitternde Alien-Etwas. Erwartungsvoll, neugierig, irgendwie berührt vom nun kommenden historischen Moment.
Der Weißkittel fasste sich als erster. „Nehmt die Geräte vom Strom und holt den Elektriker! Und Ihnen“ - er wandte sich an den Fahrer - „gebe ich noch drei Minuten. Dann sind Sie und ihre drei Lieblinge hier verschwunden!“
Er drehte sich zu seinen Leuten um. „Ach, und Jörg, Sie nehmen sich Schaufel und Eimer und schaffen ...diesen Mist hier weg.“ Er zeigte angeekelt auf die grüne Masse, die jetzt scheinbar stärker zu zittern begann. Der Weißkittel fasste sich an den Kopf. „Solche schlauen Kühe, und dann kotzen sie uns die Bude voll! Nicht zu glauben.“
Die Kühe konnten nicht wirklich verstehen, was der Weißkittel genau gesagt hatte. Aber als sie sahen, wie ein junger Mann die grüne Masse einfach auf eine Schaufel schob und in einen Eimer schmiss, ahnten sie, dass da was schief gelaufen sein musste. Der junge Mann verließ den Raum, und hätten die Kühe gewusst, wie eine Toilettenspülung klingt, dann wäre ihnen klar gewesen, wie endgültig die Kontaktaufnahme gescheitert war.
Später, als sie wieder auf der Ladefläche des Transporters standen, hatten sie sich schon weitgehend beruhigt. Sie würden heute Nacht im Stall schlafen, und morgen würde sie der Bauer auf eine andere Weide schicken, weit weg vom Krater, weit weg von dem ganzen Alien-Kram.
Liesbeth schaute mitleidig auf Heidemarie, hoffentlich hatte es die arme nicht so mitgenommen. Sie stubste Heidemarie leicht mit der Schnauze an. „Na, wieder alles in Ordnung? Kannst du dich überhaupt noch an etwas erinnern. Heisenbergsche Unschärferelation?“ Liesbeth lächelte kopfschüttelnd.
„Du wirst es nicht glauben, genau daran musste ich grad denken! Ich bin mir sicher, Heisenberg hat sich geirrt. Irgendetwas sagt mir, dass der Ansatz durch die Widerlegung der Kopenhagener Interpretation zu knacken sein wird.“ Heidemaries Augen leuchteten. „Das würde die ganze Quantenphysik vom Kopf auf die Füße stellen!“
Liesbeth schluckte. Das gibt’s doch nicht! Auch den andern Kühen blieb die Luft weg. Nur die alte Berta murmelte lächelnd vor sich hin: „Ich hab's doch gesagt. Man wird es nie wieder los. Aber man kann sich daran gewöhnen!“
Wäre Liesbeth eine junge Frau, würde sie darin einen gewissen Hauch Romantik entdecken können. Obwohl, bei den jungen Frauen heutzutage kann man sich da nicht mehr wirklich sicher sein. Ist aber auch egal, denn Liesbeth ist keine junge Frau. Sondern eine alte Kuh. Und dazu noch die Leitkuh einer Herde, die man lieber im Blick behalten sollte. Deshalb war Liesbeth ganz froh, dass der Nebel jetzt endlich verschwand, und sie keine Angst haben musste, irgendwen oder irgendetwas zu übersehen.
Alle waren da. Etwas weiter weg von der Herde stand die ehrwürdige Berta. Seitdem sie mal ein altes Lexikon gefressen hatte, dachte sie dauernd über irgendwelche komplizierten Dinge nach, ohne sie wirklich zu verstehen. Manchmal vergaß sie aber vor lauter Herumgrübeln das Fressen, weshalb sie auch nicht ganz so dick war, wie zum Beispiel Adelheid. Die dazu noch Rekordmengen an Milch gab und inzwischen so rund war, wie die Medaillen, die die Menschen ihr ständig um den Hals hängten. Um Adelheid herum stolzierte die intrigante Silke. Eine ausgemachte Zicke, die den ganzen Tag nichts Besseres zu tun hatte, als sich mit den anderen herumzustreiten, um sich dann wieder hinter Adelheids gewaltigem Körper zu verstecken. Am häufigsten hatte sie es auf Gasoline abgesehen.
Gasoline war eine Seele von einer Kuh, hatte allerdings seit ihrer Kindheit mit massiven Verdauungsstörungen zu kämpfen. Damals hatten üble Rabauken sie stundenlang am Stromzaun stehen lassen, und seitdem machte sie dauernd unheimliche Geräusche und rülpste ununterbrochen durch die Gegend. Unseren „Methandampfer“ nannte Silke sie immer.
Bei dem Gedanken an den Stromzaun stutzte Liesbeth. Etwas stimmte heute morgen nicht und sie wusste auch sofort, was. Das leise Surren des Stromzaunes fehlte! Liesbeth ging zu dem Kasten, aus dem die Drähte des Zaunes ihren Strom bekamen.
Schon von weitem sah sie, dass etwas damit nicht in Ordnung war. Eine grünliche, gallertartige Masse zog sich über den Stromkasten. Es sah aus, als würde sich diese Masse zitternd bewegen, was wohl daher kam, dass immer mal ein Funken aus dem Kasten schlug, begleitet von einem leisen Zischen.
Liesbeth besah sich das Ganze und wurde wütend. Das konnte doch nicht wahr sein! Sie drehte sich zu den andern um.
„Kommt mal alle her! Sofort!“
Arlamiert durch den Ton in Liesbeths Stimme trotteten die Kühe zu ihr herüber, selbst Silke verkniff sich das Herumnölen.
Liesbeth wies mit dem Kopf auf den Stromkasten.
„Wer von euch war das? Welche blöde Kuh hat ausgerechnet auf diesen Stromkasten geschissen?“
Die Kühe starrten ihre Chefin an und schwiegen. Nur Silke schaute auf die sprühenden Funken und flüsterte: „Auweia, das muss ganz schön im Hintern gezuckt haben.“
Liesbeth sah verärgert auf Silke. Silke aber blickte unschuldig zu Gasoline hinüber. „Hey, vielleicht hat unser kleiner Vulkan was dazu zu sagen!“
Gasoline schüttelte mit dem Kopf. „Nein, das war ich nicht. Mein, ähm, Zeugs sieht im Moment ganz anders aus. Ich hab doch wieder, na ja, ihr wisst schon...“ Gasoline schaute entschuldigend in die Runde.
„Vielleicht hat sie recht, das hier stinkt auch gar nicht nach Gasoline!“ Silke war vorsichtig an den Kasten herangetreten und schnupperte an der grünen Masse.
„Weg da!“ Liesbeth schüttelte den Kopf. „Wer immer das auch war, jetzt gibt’s Ärger. Der Strom ist weg und bald haben wir hier Menschen, die daran rumbasteln werden. Die Krach machen, über die Wiese laufen und die auf uns schimpfen werden. Und nur wegen der blödsinnigen Kleckerei dort. Also macht das wenigstens weg, wer immer das von Euch auch war!“
Die Kühe starrten ratlos in die Runde. Keine war es gewesen, oder wollte es gewesen sein. Zumal gerade jetzt wieder große Funken aus dem Kasten schlugen. In kleinen, wie zufällig gesetzten Schritten wichen die Kühe zurück. Bis auf eine.
„Halt! Lasst mich durch! Hufe weg vom Stromkasten!“
Heidemarie drängelte sich aufgeregt nach vorn. Sie war sonst eher unauffällig, sehr schweigsam und leicht zu übersehen. Aber jetzt schnaufte sie vor Aufregung und stand zitternd vor ihrer Chefin.
Liesbeth runzelte die Stirn. „Du warst das?“
„Nein nein. Aber ich muss das jetzt fressen. Jetzt gleich.“
„Was??“
Während Liesbeth und die anderen Kühe entgeistert auf Heidemarie starrten, stampfte diese an Liesbeth vorbei, beugte sich zum Stromkasten, öffnete ihr Maul und sog die grüne gallertartige Masse in sich herein. Funken sprühten, es zischte, und es roch nach angesengtem Fell. Heidemarie schluckte noch einmal, bevor sie laut rülpste.
„Oh Gott, jetzt haben wir noch eine Gasoline!“ flüsterte Silke und versteckte sich hinter Adelheid.
Liesbeth versuchte, ihre Fassung zu bewahren. „Also Heidemarie, jetzt bist du uns aber eine Erklärung schuldig!“ Die anderen Kühe nickten und rückten wieder in die Mitte vor.
Heidemarie schüttelte sich noch einmal und blickte in die Runde.
„Liebe Kühe! Ich freue mich, zu euch sprechen zu dürfen!“
Gasoline grinste. „Hey, was war das denn für Kraut?“
„Halt die Klappe!“ Liesbeth drehte sich wieder zu Heidemarie. „Schön, wir freuen uns auch. Und jetzt?“
„Liebe Kühe. Ich spreche zu euch jetzt nicht als Kuh sondern als Außerirdischer.“
Gasoline verdrehte die Augen und schaute verschwörerisch zu den anderen Kühen.
„Ich bin zu Euch geschickt worden, um mit der hier herrschenden Spezies Kontakt aufzunehmen. Wir haben lange gebraucht, um zu begreifen, dass ihr nicht die Herrscher auf diesem Planeten seid, sondern diese nackthäutigen Zweibeiner, die Menschen. Wir hatten uns geirrt, ein dummer Fehler, kann aber mal passieren. Und jetzt seid ihr die einzigen Lebewesen auf diesem Planeten, mit denen wir kommunizieren können. Ohne euch kommen wir nicht an die Menschen heran. Also bin ich hier, um eure Hilfe zu erbitten. Wir müssen den Kontakt herstellen. Heute noch.“ Heidemarie blickte unnatürlich breit lächelnd zu ihren Freundinnen.
Die Kühe standen wie erstarrt um die zähnebleckende Heidemarie herum.
Keine sagte auch nur ein Wort, was sollten sie darauf auch antworten.
„Ja nun, liebe Kühe. Wie machen wir das jetzt?“
„Als erstes solltest du mal mit dem „liebe Kühe“ aufhören.“ Liesbeth schüttelte mit dem Kopf. “Kannst du nicht wieder normal mit uns reden? Und uns erklären, was das Stück zitternde Gelatine mit Außerirdischen zu tun hat?“
„Na ja, das ist eine ihrer Erscheinungsformen, viel besser kriegen sie das nicht hin, hier auf der Erde. Darum brauchen sie auch so was wie einen Wirt, der es im Stück verschluckt, ohne es gleich zu verdauen. Deshalb haben sie uns ausgesucht. Und das grüne Alien hat mich gerufen, irgendwie, also hab ich's geschluckt. Und jetzt ist es nicht nur in meinem Magen sondern auch in meinem Kopf.“
„Oh das kenne ich“, sagte Berta. „Das geht auch nicht wirklich wieder weg, aber man kann sich dran gewöhnen.“
„Klar.“ Silke lachte. „Dann ist man nicht immer so allein und kann sich prächtig mit sich selbst unterhalten. Und wenn...“
„Nein!“ Heidemarie unterbrach sie. „Das ist weder Spaß noch irgendeine Krankheit. Ich muss so schnell wie möglich in die Stadt. Da ist ein großes Haus, in dem forschen die Menschen daran, Kontakt mit Außerirdischen aufzunehmen. Denen muss ich eine Nachricht überbringen. Heute noch. Sonst ist es zu spät.“
Liesbeth blickte misstrauisch auf Heidemarie. „Und wer beweist mir, dass das alles mehr ist, als nur ein raffinierter Versuch von dir, hier auszubrechen?“
„Ach, das ist einfach. Seht ihr dahinten, das kahle Feld? Das Alienraumschiff wird jetzt einen Strahl herunterschicken, der das Feld in eine saftig grüne Wiese verwandeln wird. Moment.“
Heidemarie konzentrierte sich und blickte in den Himmel. Wie auf Kommando folgten die Kühe ihrem Blick und starrten nach oben. Silke wollte gerade das Maul aufmachen, um laut und gehässig „April, April!“ zu rufen, als ein riesiger Blitz aus dem wolkenlosen Himmel auftauchte und neben der Herde im Feld einschlug. Es krachte gewaltig, Erdbrocken und Steine wirbelten durch die Luft. Als sich der Staub legte, erblickten die Kühe neben sich einen riesigen Krater. Und ringsum Trümmerstücke von Steinen und verteilte Erde. Keine neue Wiese, und von ihrer alten war auch nicht mehr viel zu sehen. Voller Entsetzen drehten sie sich zu Heidemarie um. Die war zum Krater gelaufen und tanzte verzückt am Abgrund herum. „Ha, es funktioniert noch! Wahnsinn! Einfach Klasse!“ Dann sah sie den Rest der Herde auf sich zu kommen. Bedeckt von braunem Staub, Enttäuschung und Wut in den Augen.
„Also bloß keine Panik, Mädels. Ist doch keinem was passiert. Und das mit dem Gras holen wir bei Gelegenheit noch nach, da ist wohl etwas nicht ganz in Ordnung auf dem Raumschiff. Aber als Beweis sollte das doch ausreichen, oder?“ Zwinkernd zeigte sie mit dem Kopf zum Krater.
„Na toll, und mit dem nächsten Blitz werden wir gegrillt, oder was?“ Silke ließ ein wütendes Brummen hören.
„Mach mal halblang. Jetzt geht’s auch sicher schneller, dass hier ein paar Menschen vorbeikommen. Versucht doch einfach mir und diesem Gelantine-Alien zu glauben. Und helft mir!“ Bittend schaute sie zu Liesbeth.
„Gut, spielen wir das Spiel mit. Was sollen wir denn deiner Meinung oder nach Meinung der Aliens jetzt tun?“
Heidemarie war erleichtert. „Also, als erstes malen wir hier ein paar Formeln in den Sand.“
„Klar, Sand ist ja jetzt genug da.“ Silke wieder.
Aber Heidemarie ließ sich nicht aufhalten.
„Ich zeig euch, wie das geht. So, schön groß. E=mc2, dann hier noch was, wartet, ich mals klein auf, ihr müsst es denn noch größer machen, am besten da vorne!“
„Und was ist das jetzt?“ Liesbeth deute auf die zweite Formel.
„Ach, das ist die Heisenbergsche Unschärferelation. Eine Aussage über Ort und Impuls von Teilchen, dass beides aus Prinzip nicht gleichermaßen exakt bestimmbar ist.“
Liesbeth nickte, ohne auch nur irgend etwas zu verstehen. „Weißt du was, wir machen das anders. Ich habe da eine Idee! Lass mich mal machen.“ Es war auch keine Zeit mehr für große Erklärungen, denn von weitem hörte man schon ein Auto näher kommen. Die Menschen hatten sich nicht viel Zeit gelassen, um nach der Explosion und nach den Kühen zu sehen.
Der größere der beiden Männer saß hinter dem Lenkrad und betätigte den Blinker. Das Auto bog auf den Feldweg ein.
„Ich sag's dir, das war eine alte Fliegerbombe.“
„Quatsch, da ist ein Flugzeug abgestürzt. So eine Bombe geht doch nicht von alleine hoch.“
Im nächsten Moment fuhren sie an dem tiefen Krater vorbei, den die Explosion in das Feld gegraben hatte.
„Oh Scheiße, da ist wohl ein Flugzeug auf eine Bombe gestürzt!“
Noch bevor der Beifahrer seinen Kommentar dazu abgeben konnte, blieben ihm die Worte im Halse stecken. Vor ihnen standen die Kühe. Alle 12 Tiere der Herde. Exakt in einer Linie, der Größe nach sortiert. Es schien, als würden die Kühe die beiden Männer erwartungsvoll anlächeln. Und vor den Kühen stand in großen Buchstaben in den Sand gemalt: „Härzlich Halo! Bitte Statt mitnehmen!“
Die beiden Männer sahen sich an.
„Was soll denn das?“ Der kleinere ging auf die Kühe zu, während der Fahrer zum Krater ging.
„Mann schau dir das an! Das Loch geht ja bald bis zur anderen Seite durch!“
„Ja, komm schon, lass den Kram, da werden sich andere drum kümmern. Wir sollen die Kühe mitnehmen.“
Kopfkratzend stand er vor der Herde.
„Wieso steht hier „Statt mitnehmen“? Wer hat denn das geschrieben? Hallo, ist hier noch jemand?“ Er blickte sich zum Fahrer um. „Komm jetzt endlich her und hör auf, da im Schutt herumzubuddeln!“
Der Lange kam aufgeregt angelaufen. „Hier, schau dir das an. Das war sicher ein UFO!“ Triumphierend hielt er die zusammengeschmorten Reste des Stromkastens in der Hand. „Das ist garantiert was Außerirdisches!“
„Blödsinn. Du und deine UFO-Macke! Hilf mir jetzt, die Kühe einzuladen, die stehen doch schon in Reih und Glied da. Und dann ab in den Stall. Wer weiß, was hier noch so explodiert!“
„Aber vorher fahren wir noch in die Stadt!“ Der Fahrer ließ sich nicht beirren. „ Zu dem Institut, das nach Außerirdischen sucht. Das Teil hier abgeben. Zu schade, dass wir kein Foto vom Krater machen können.“
Der kleine Mann hob resigniert die Schultern. „Ist ja gut, wir fahren eh dran vorbei. Aber du wirst dich da nur lächerlich machen. Und jetzt komm. Kümmern wir uns um die Kühe.“
Als sich der Transporter in Bewegung setzte, beruhigte Liesbeth Heidemarie. „Es läuft alles wie am Schnürchen. Nicht lange, und wir werden bei den Leuten anhalten, zu denen du willst. Wir müssen dann nur hier runter und uns irgendwie bemerkbar machen.“
Die anderen Kühe nickten, soweit die fehlende Bewegungsfreiheit auf der Ladefläche ein Nicken erlaubte.
Was die Menschen anging, vertrauten sie Liesbeth. Sie war die einzige, die ein paar Worte von dem verstand, was die Menschen untereinander sprachen. Und wenn Liesbeth sagt, das Auto fährt jetzt dahin, wo Heidemarie und der grüne Zitterschleim hinwollten, dann wird es auch so sein.
„Aber wie kommen wir hier runter?“
„Ich mach das schon,“ meldete sich Silke. „Aber dafür müsst ihr mich nachher auch mit in dieses Haus nehmen!“
Liesbeth rollte mit den Augen. „Okay, okay. Aber du machst schön das, was wir dir sagen. Es wird schwierig genug, die Menschen davon zu überzeugen, dass wir ihnen eine Botschaft zu überbringen haben.“
„Und, hat schon jemand eine Idee, wie wir es schaffen?“ Berta versuchte, in die Runde zu blicken.
„Vielleicht, mal abwarten...“ Liesbeth dachte nach.
Vorsichtig bremste der Transporter ab, bevor er zum Stehen kam. Der lange Fahrer sprang aus der Tür und lief zum Haus. „Institut für die Suche nach intelligentem außerirdischen Leben, Zweigstelle Mölefeld“ stand auf einem großen Schild an der Wand des fünfstöckigen Gebäudes. Sein Beifahrer rief ihm nach: „Ich bin drüben auf ne Bockwurst. Halt dich nicht so lange auf, wir haben heute noch ein paar ganz irdische Dinge zu erledigen.“
Beide sahen nicht die drei Kühe, die vorsichtig die Ladefläche verließen und zum Seiteneingang des Hauses trabten.
„Und wie kommen wir jetzt rein?“
„Wir stellen uns jetzt hier an, schön der Reihe nach. Und wenn jemand kommt, schauen wir ihn ganz freundlich an, und er nimmt uns mit. Hat doch vorhin auch geklappt. Oder habt ihr eine andere Idee?“ Liesbeth sah Heidemarie und Silke an. „Na also.“
Aber sie mussten nicht wirklich warten. Die Türen waren offen und groß genug für sie. Und als es scheinbar nicht mehr weiter ging, öffnete sich ein weiteres Tor aus dem zwei Menschen herauskamen. Während die beiden noch verwirrt auf die Kühe blickten, waren diese durch das Tor gegangen, das sich hinter ihnen schloss. Und vor ihnen ging es nicht mehr weiter.
„Eine Falle!“ Silke wurde laut. „Wir sind eingesperrt!“
„Ruhe!“
Ein Ruck ging durch die drei. „Was ist das? Fühlt sich an, als würden wir fahren?“
Über ihnen an der Wand stand eine große leuchtende Zahl, die sich alle paar Sekunden änderte. Wieder ein Ruck. Und dann öffnete sich das silberne Tor. ...
„Hören Sie. Natürlich haben wir die Explosion mitbekommen. Und es wird sich sicher jemand darum kümmern. Aber das Teil, das Sie da in der Hand haben, ist ein stinknormaler Stromkasten für Weidezäune. Ein bisschen zusammengeschmolzen. Aber trotzdem keine außerirdische Steuerkonsole. Also lassen Sie uns ...“
Der Mann mit dem weißen Kittel hörte auf zu reden und blickte an dem vor ihm stehenden Transporterfahrer vorbei. Auf die drei Kühe, die eben aus dem Fahrstuhl gestiegen waren.
„Aber hallo, was soll das denn?“
Die Kühe sahen den Fahrer mit einem anderen Menschen diskutieren und bewegten sich jetzt auf die beiden zu.
Der Mann im weißen Kittel schaute wütend zum Fahrer. „Sind das ihre Kühe? Was fällt ihnen ein, sie mit hier hochzunehmen? Hier stehen haufenweise empfindliche Geräte herum. Was soll der Blödsinn?“
Die Kühe blieben stehen. Es schien, als brummten sie sich leise etwas zu. Plötzlich stampften sie einmal laut und vernehmlich mit dem rechten Vorderhuf auf den Fußboden. Rummms.
Alle Mitarbeiter auf der Etage hörten sofort auf zu arbeiten, verstummten, sahen zu den Kühen. Die stampften jetzt zweimal auf. Rummms, Rummms. Die Kaffeemaschine neben den Kühen wackelte und blieb in einer gefährlichen Schräglage stehen. Irgendwo fiel etwas zu Boden und zerbrach. Ein leiser unterdrückter Schrei war zu hören. Die Kühe hoben erneut ihre Hufe.
„Halt! Um Himmelswillen!“ Der Weißkittel rannte auf die Kühe zu und sprach auf sie ein. „Ist ja gut. Ganz ruhig. Ihr seid aber kluge Kühe. Und jetzt ganz brav.“ Er drehte sich zum Fahrer um.
„Vielleicht nehmen Sie jetzt mal ihre Zirkuskühe lieber wieder mit, bevor hier noch ein Unheil geschieht!“
Heidemarie sah zu Liesbeth. „Spricht er jetzt mit uns? Ist er bereit für den Kontakt?“
„Ich weiß nicht so recht. Er scheint uns schon für klug zu halten. Versuchen wir's nochmal mit dem Muhen! Los.“
„Muh!“ Liesbeth.
„Muh! Muh!“ Heidemarie.
Dann Silke: „Muh! Muh! Muh! ... Muh! ... Mist, verzählt!“ Silke stampfte ärgerlich mit dem Huf auf. Es knirschte laut von der Seite. Wie in Zeitlupe neigte sich der Kaffeeautomat weiter nach vorn und kippte um. Es knallte und klirrte, Wasser lief über den Boden, Funken sprühten. Der Weißkittel hob die Hände über den Kopf, der Fahrer stand mit dem geschmolzenen Stromkasten in der Hand mitten im Raum und versuchte zu begreifen, was da gerade geschah. Die Institutsmitarbeiter schrien erregt durcheinander.
Da muhte Heidemarie in all den Krach hinein, so laut sie konnte. Und dann war wieder Stille. „Jetzt,“ flüsterte sie zu Liesbeth, „ich kann nicht länger warten. Ich hoffe, die Menschen sind bereit!“
Sie hustete und begann zu würgen. Nach ein paar Sekunden spuckte sie die grüne gallertartige Masse vor die Füße des Weißkittels. Erschöpft trat Heidemarie zurück, gespannt, wie es denn nun weitergehen würde. Auch die anderen beiden Kühe schauten auf das zitternde Alien-Etwas. Erwartungsvoll, neugierig, irgendwie berührt vom nun kommenden historischen Moment.
Der Weißkittel fasste sich als erster. „Nehmt die Geräte vom Strom und holt den Elektriker! Und Ihnen“ - er wandte sich an den Fahrer - „gebe ich noch drei Minuten. Dann sind Sie und ihre drei Lieblinge hier verschwunden!“
Er drehte sich zu seinen Leuten um. „Ach, und Jörg, Sie nehmen sich Schaufel und Eimer und schaffen ...diesen Mist hier weg.“ Er zeigte angeekelt auf die grüne Masse, die jetzt scheinbar stärker zu zittern begann. Der Weißkittel fasste sich an den Kopf. „Solche schlauen Kühe, und dann kotzen sie uns die Bude voll! Nicht zu glauben.“
Die Kühe konnten nicht wirklich verstehen, was der Weißkittel genau gesagt hatte. Aber als sie sahen, wie ein junger Mann die grüne Masse einfach auf eine Schaufel schob und in einen Eimer schmiss, ahnten sie, dass da was schief gelaufen sein musste. Der junge Mann verließ den Raum, und hätten die Kühe gewusst, wie eine Toilettenspülung klingt, dann wäre ihnen klar gewesen, wie endgültig die Kontaktaufnahme gescheitert war.
Später, als sie wieder auf der Ladefläche des Transporters standen, hatten sie sich schon weitgehend beruhigt. Sie würden heute Nacht im Stall schlafen, und morgen würde sie der Bauer auf eine andere Weide schicken, weit weg vom Krater, weit weg von dem ganzen Alien-Kram.
Liesbeth schaute mitleidig auf Heidemarie, hoffentlich hatte es die arme nicht so mitgenommen. Sie stubste Heidemarie leicht mit der Schnauze an. „Na, wieder alles in Ordnung? Kannst du dich überhaupt noch an etwas erinnern. Heisenbergsche Unschärferelation?“ Liesbeth lächelte kopfschüttelnd.
„Du wirst es nicht glauben, genau daran musste ich grad denken! Ich bin mir sicher, Heisenberg hat sich geirrt. Irgendetwas sagt mir, dass der Ansatz durch die Widerlegung der Kopenhagener Interpretation zu knacken sein wird.“ Heidemaries Augen leuchteten. „Das würde die ganze Quantenphysik vom Kopf auf die Füße stellen!“
Liesbeth schluckte. Das gibt’s doch nicht! Auch den andern Kühen blieb die Luft weg. Nur die alte Berta murmelte lächelnd vor sich hin: „Ich hab's doch gesagt. Man wird es nie wieder los. Aber man kann sich daran gewöhnen!“
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fussel,
Mittwoch, 29. November 2006, 14:51
Fussel...
...ist wie immer schwer begeistert. Wann gibts die Fortsetzung? ;-))))
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kuhlumbus,
Mittwoch, 29. November 2006, 17:10
Wenn
alles gut wird, reichen die Geschichten irgendwann mal aus, um sie zwischen zwei Buchdeckel zu pappen. Die Ideen für die Geschichten sind ja schon da, ein kongenialer Illustrator auch. Jetzt muss nur mal einer die Zeit für mich anhalten, damit ich zum Schreiben komme... :o)
Freut mich, dass es dir gefällt! :o)
Freut mich, dass es dir gefällt! :o)
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cosmomente,
Mittwoch, 29. November 2006, 10:08
Ein Galertartiges Happy-End :-)) Aber was wollten die Außerirdischen auf der Erde? Machtübernahme?
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kuhlumbus,
Mittwoch, 29. November 2006, 10:15
Wahrscheinlich
nur ein paar Visitenkarten austauschen, bevor sie wegen des knappen Zeitfensters wieder los mussten.
Oder das Rezept für Götterspeise besorgen, um ihre Rasse vorm Aussterben zu retten ... :o)
Oder das Rezept für Götterspeise besorgen, um ihre Rasse vorm Aussterben zu retten ... :o)
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cosmomente,
Dienstag, 5. Dezember 2006, 10:45
Achso.. da müssten sie dann aber aufpassen, wenn sie im Supermarkt an der Ecke mit den Kühen einkaufen gehen und aus Versehen gelbe oder ...Oh Gott...rote Götterspeise aus dem Regal nehmen lassen - die Kühe sind da ja bestimmt nicht so versiert :-))
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kuhlumbus,
Donnerstag, 7. Dezember 2006, 23:36
Lieber
als Mu(h)tation weiterleben, als komplett aussterben. Oder? ;o)
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c17h19no3,
Donnerstag, 7. Dezember 2006, 01:57
lohnt aber sehr zu lesen! ;)
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kuhlumbus,
Donnerstag, 7. Dezember 2006, 23:35
Oh,
danke! Ich weiß, es ist von der Länge her an dieser Stelle sicher ne Zumutung. :o)
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sezierfisch,
Mittwoch, 20. Dezember 2006, 16:47
Lang genug
für einen schönen Film ist es ja. Da freue ich mich schon auf die Kinoversion. :-)
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