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Samstag, 9. Juni 2007
Geh Acht und so...
kuhlumbus, 18:07h
Da lag sie nun. Mitten auf der Wiese. Aus rotem und grünem Plastik. Eine Waffe, zweifellos. Silke ging vorsichtig um das Ding herum, bis der Lauf nicht mehr in ihre Richtung zeigte. Denn sie hatte gestern ganz genau gesehen, wie die komischen Menschen mit den großen roten Nasen aus diesem Plastikdings geschossen hatten…
Ganz plötzlich waren sie gestern aufgetaucht. Mitten durch das Maisfeld waren sie gekommen, junge Leute in bunten Kleidern, mit bunten Fahnen, Lieder singend und lachend. Um sie herum sprangen die Leute mit den roten Nasen, in noch bunteren Klamotten als die anderen, und sie schwenkten die bunten Gewehre und beschossen sich. Mit Wasser, wie Bertha hinterher behauptete. Aber Bertha behauptet viel, wenn der Tag lang ist. Sicher, sie war die klügste Kuh in der Herde. Aber selbst sie war überrascht von den komischen bunten Menschen, die ohne Vorwarnung aus dem Feld brachen und laut singend in Richtung Kuhweide marschierten. Kurz vor dem Zaun machten sie Halt und legten eine Pause ein. Immer mehr Menschen strömten aus dem Feld und sammelten sich neben dem Zaun. Auch die Kühe waren unauffällig in Richtung Zaun getrappelt, um mitzubekommen, was da los war. Liesbeth musste immer wieder den anderen Kühen übersetzen, was die Menschen sich erzählten.
„Jetzt reden sie grad über unseren Zaun.“ Liesbeth hatte nach diesen Worten die volle Aufmerksamkeit ihrer Freundinnen. Vor allem, weil ein paar der bunten Leute anfingen, sich am Zaun zu schaffen zu machen.
„Was wollen die von uns?“ Heidemarie rückte ängstlich an Liesbeth heran. „Kommen die uns holen?“
„Quatsch!“ Silke prustete. „So sehen keine Leute aus, die Kühe zum Schlachter bringen.“ Sie schielte zu Heidemarie. „Zumindest war das bis heute so. Aber man kann ja nicht wissen…“
„Seid mal ruhig! Jetzt reden sie grad darüber, ob sie unseren Zaun aufmachen…“
„Oh ja!“ Das Kälbchen Fridolin begann aufgeregt hin- und herzutrippeln. „Lasst uns einen Ausflug machen. Zaun auf! Zaun auf!“
„Sei still. Die verstehen dich sowieso nicht.“ Liesbeth sah besorgt zu der Stelle des Zaunes, an der zwei, drei dieser Leute versuchten, auf die Weide zu kommen. Alles diese komischen Typen mit den großen roten Nasen. Und mit Gewehren. Als sie auf der anderen Seite des Zaunes ankamen, begannen sie, hektisch über die Weide zu laufen und zu schießen. Liesbeth hielt die Luft an. Auch den anderen Kühen schlug das Herz bis zum Hals. Aber die Bunten scherten sich nicht um die Kühe sondern beschossen sich selbst. Mit Wasser. Und sie lachten dabei. Und rannten hin und her, zwischen den Kühen durch, von der einen Seite der Weide zu anderen. Bis dann einer von ihnen auf Gasolines morgendlicher Hinterlassenschaft ausrutsche, in hohem Bogen durch die Luft flog und mit einem lauten, schmatzenden Geräusch in Gasolines Scheiße landete…
Gasoline blickte ihre Freundinnen schuldbewusst an. „Sorry Mädels, ich weiß, ist ziemlich viel gewesen für früh am Morgen. Aber ihr wisst doch, meine Verdauung ist momentan besonders…“
„Ruhe!!“ Liesbeth hob den Kopf. „Das gibt’s doch nicht! … Bullen!! Die Menschen sagen, die Bullen kommen! Und ganz viele!!“
Die Worte durchzuckten die Kühe wie ein elektrischer Schlag.
„Die Bullen!!!...“ Heidemarie sah verklärt zum Horizont, dorthin, wo jetzt auch die ganzen Menschen hin zeigten. Aus der Richtung waren jetzt deutlich Geräusche zu hören. Vor allem Geräusche, wie sie die großen Autos machten, die die Kühe ab und an durch die Landschaft fahren sahen.
„Typisch!“ Silke drängte sich an den Zaun, um einen besseren Blick auf den Weg zu bekommen. „Wir Kühe müssen immer zum Stall laufen, und die Bullen werden gefahren, als wären sie was Besseres.“
„Sind sie doch auch! Vor allem der Johannes, der neue große…“ Heidemarie sah mit sehnsüchtigen Augen in die Richtung, aus der der Krach kam. Und dann erblickten die Kühe eine seltsame Prozession den Weg entlang kommen. Viele grün gekleidete Menschen. Eigentlich sahen sie aus, wie die Förster, die ab und an mal an der Weide vorbeikamen. Aber die heute waren irgendwie dicker angezogen, hatten Stöcker in der Hand, redeten nicht miteinander und machten allesamt ziemlich verkniffene Gesichter. Ein Ausdruck irgendwo zwischen Angst und Wut, soweit die Kühe das jedenfalls einschätzen konnten. Sie kamen ziemlich langsam näher, die dicken Förster. Und mitten unter ihnen, beziehungsweise sie alle überragend, ein großes Auto mit einer Kanone.
Die Kühe schauten verwirrt. Wo waren die Bullen? Wer waren die Grünen? Was überhaupt ging hier vor? Und warum, verdammt nochmal, machte niemand den Zaun auf?
Die bunten Menschen hatten sich inzwischen wieder in Bewegung gesetzt. Bunte Fahnen schwenkend, singend, wenn auch nicht so laut wie noch vorhin, zogen sie weiter. Begleitet von den dicken Förstern und deren Auto. Das mit der Kanone.
Da komme nur Wasser raus, hatte Bertha behauptet. Aber Bertha behauptet viel, wenn der Tag lang ist…
Heute erinnert nicht mehr viel an die Hektik von gestern. Außer dem Stück bunter Plastik, Plastik zum Schießen, mitten auf der Wiese. Silke schnupperte dran. Bertha hatte gemeint, der Wind der Geschichte sei über die Weide geweht, gestern. Aber alles was Silke roch, roch eher nach Gasoline. Vielleicht braucht‘s ein wenig Zeit, bis die Geschichte darunter zu riechen war. Sie würde es morgen noch einmal versuchen. Wär schade, wenn der Geschichtswind schon mal hier gewesen war, und man würde ihn verpassen, nur weil man Gasoline nicht riechen konnte…
Herzliche Grüße an die G8-Protestierkollegen, die auf ihrer Rückreise nach Österreich in unserer WG Pause machten. Und genauso herzliche und respektvolle G8-Grüße nach Barth… :o)
Ganz plötzlich waren sie gestern aufgetaucht. Mitten durch das Maisfeld waren sie gekommen, junge Leute in bunten Kleidern, mit bunten Fahnen, Lieder singend und lachend. Um sie herum sprangen die Leute mit den roten Nasen, in noch bunteren Klamotten als die anderen, und sie schwenkten die bunten Gewehre und beschossen sich. Mit Wasser, wie Bertha hinterher behauptete. Aber Bertha behauptet viel, wenn der Tag lang ist. Sicher, sie war die klügste Kuh in der Herde. Aber selbst sie war überrascht von den komischen bunten Menschen, die ohne Vorwarnung aus dem Feld brachen und laut singend in Richtung Kuhweide marschierten. Kurz vor dem Zaun machten sie Halt und legten eine Pause ein. Immer mehr Menschen strömten aus dem Feld und sammelten sich neben dem Zaun. Auch die Kühe waren unauffällig in Richtung Zaun getrappelt, um mitzubekommen, was da los war. Liesbeth musste immer wieder den anderen Kühen übersetzen, was die Menschen sich erzählten.
„Jetzt reden sie grad über unseren Zaun.“ Liesbeth hatte nach diesen Worten die volle Aufmerksamkeit ihrer Freundinnen. Vor allem, weil ein paar der bunten Leute anfingen, sich am Zaun zu schaffen zu machen.
„Was wollen die von uns?“ Heidemarie rückte ängstlich an Liesbeth heran. „Kommen die uns holen?“
„Quatsch!“ Silke prustete. „So sehen keine Leute aus, die Kühe zum Schlachter bringen.“ Sie schielte zu Heidemarie. „Zumindest war das bis heute so. Aber man kann ja nicht wissen…“
„Seid mal ruhig! Jetzt reden sie grad darüber, ob sie unseren Zaun aufmachen…“
„Oh ja!“ Das Kälbchen Fridolin begann aufgeregt hin- und herzutrippeln. „Lasst uns einen Ausflug machen. Zaun auf! Zaun auf!“
„Sei still. Die verstehen dich sowieso nicht.“ Liesbeth sah besorgt zu der Stelle des Zaunes, an der zwei, drei dieser Leute versuchten, auf die Weide zu kommen. Alles diese komischen Typen mit den großen roten Nasen. Und mit Gewehren. Als sie auf der anderen Seite des Zaunes ankamen, begannen sie, hektisch über die Weide zu laufen und zu schießen. Liesbeth hielt die Luft an. Auch den anderen Kühen schlug das Herz bis zum Hals. Aber die Bunten scherten sich nicht um die Kühe sondern beschossen sich selbst. Mit Wasser. Und sie lachten dabei. Und rannten hin und her, zwischen den Kühen durch, von der einen Seite der Weide zu anderen. Bis dann einer von ihnen auf Gasolines morgendlicher Hinterlassenschaft ausrutsche, in hohem Bogen durch die Luft flog und mit einem lauten, schmatzenden Geräusch in Gasolines Scheiße landete…
Gasoline blickte ihre Freundinnen schuldbewusst an. „Sorry Mädels, ich weiß, ist ziemlich viel gewesen für früh am Morgen. Aber ihr wisst doch, meine Verdauung ist momentan besonders…“
„Ruhe!!“ Liesbeth hob den Kopf. „Das gibt’s doch nicht! … Bullen!! Die Menschen sagen, die Bullen kommen! Und ganz viele!!“
Die Worte durchzuckten die Kühe wie ein elektrischer Schlag.
„Die Bullen!!!...“ Heidemarie sah verklärt zum Horizont, dorthin, wo jetzt auch die ganzen Menschen hin zeigten. Aus der Richtung waren jetzt deutlich Geräusche zu hören. Vor allem Geräusche, wie sie die großen Autos machten, die die Kühe ab und an durch die Landschaft fahren sahen.
„Typisch!“ Silke drängte sich an den Zaun, um einen besseren Blick auf den Weg zu bekommen. „Wir Kühe müssen immer zum Stall laufen, und die Bullen werden gefahren, als wären sie was Besseres.“
„Sind sie doch auch! Vor allem der Johannes, der neue große…“ Heidemarie sah mit sehnsüchtigen Augen in die Richtung, aus der der Krach kam. Und dann erblickten die Kühe eine seltsame Prozession den Weg entlang kommen. Viele grün gekleidete Menschen. Eigentlich sahen sie aus, wie die Förster, die ab und an mal an der Weide vorbeikamen. Aber die heute waren irgendwie dicker angezogen, hatten Stöcker in der Hand, redeten nicht miteinander und machten allesamt ziemlich verkniffene Gesichter. Ein Ausdruck irgendwo zwischen Angst und Wut, soweit die Kühe das jedenfalls einschätzen konnten. Sie kamen ziemlich langsam näher, die dicken Förster. Und mitten unter ihnen, beziehungsweise sie alle überragend, ein großes Auto mit einer Kanone.
Die Kühe schauten verwirrt. Wo waren die Bullen? Wer waren die Grünen? Was überhaupt ging hier vor? Und warum, verdammt nochmal, machte niemand den Zaun auf?
Die bunten Menschen hatten sich inzwischen wieder in Bewegung gesetzt. Bunte Fahnen schwenkend, singend, wenn auch nicht so laut wie noch vorhin, zogen sie weiter. Begleitet von den dicken Förstern und deren Auto. Das mit der Kanone.
Da komme nur Wasser raus, hatte Bertha behauptet. Aber Bertha behauptet viel, wenn der Tag lang ist…
Heute erinnert nicht mehr viel an die Hektik von gestern. Außer dem Stück bunter Plastik, Plastik zum Schießen, mitten auf der Wiese. Silke schnupperte dran. Bertha hatte gemeint, der Wind der Geschichte sei über die Weide geweht, gestern. Aber alles was Silke roch, roch eher nach Gasoline. Vielleicht braucht‘s ein wenig Zeit, bis die Geschichte darunter zu riechen war. Sie würde es morgen noch einmal versuchen. Wär schade, wenn der Geschichtswind schon mal hier gewesen war, und man würde ihn verpassen, nur weil man Gasoline nicht riechen konnte…
Herzliche Grüße an die G8-Protestierkollegen, die auf ihrer Rückreise nach Österreich in unserer WG Pause machten. Und genauso herzliche und respektvolle G8-Grüße nach Barth… :o)
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