Sonntag, 10. April 2011
Schräg
Na gut. Dann schreib' ich mal wieder was (motiviert durch den sympathischsten Wasserfall, den ich je erlebt habe ;o)) , ein paar Zeilen erst mal nur, am besten zu einem Thema, das ich hier noch nicht hatte – zur Bahn. :o)

Tatort Frankfurt, diesen Donnerstag. Der eigene ICE hat - wie zur Zeit wohl alle anderen auch - seine 10 Minuten Verspätung, was das Umsteigen wie immer zu einer sehr sportlichen Angelegenheit macht. Also im Laufschritt nach der Wagennummer gesucht, die auch auf der Platzkarte steht. Einmal den ganzen Zug entlang gelaufen, nur um festzustellen, dass die Platzkarte Makulatur ist. Schulterzuckender Schaffner: der ICE bestehe heut nur aus einer Hälfte (seiner besseren, nehm ich mal an), ich solle durch irgendeine Tür einsteigen, man müsse gleich losfahren. Wenn ich nicht so aus der Puste gewesen wäre, hätte ich gesagt, dass ich genau das auch vorhätte, das mit der Tür – das Einsteigen in den ICE durchs Fenster sei ja wohl eine sehr komplizierte Angelegenheit. Aber ich hielt die Klappe und suchte nach einer Tür, durch die noch keine rückwärtige Menschenhälfte rausschaute. Wo also noch die Chance bestünde, wenigstens die Türstufen hochzukommen. Hab‘ ich auch geschafft. Was ich nicht geschafft habe, war einen Stehplatz zu finden, auf dem ich wenigstens aufrecht stehen konnte. Also hing ich notgedrungen wie so ein echt schräger Typ diagonal durch den Gang, das Gepäck irgendwo an den Rand gequetscht, misstrauisch auf den Schaffner blickend, der sich an der Schalttafel des Wagens zu schaffen machte. Er müsse die Klimaanlage „resetten“, sagt er. Das ist offensichtlich Bahndeutsch und steht für „Ausschalten“. Aber die Bedeutung von Sauerstoff wird eh überschätzt, denn schließlich hab‘ ich‘s ja überlebt …
Wie nennt man übrigens eine immer maroder werdende Bahn?
Richtig! „Marodierend“ … :o)

So, und nun geh ich bissl die Sonne genießen, mental Kraft sammeln, Atemübungen machen …
Denn die nächste Bahnfahrt kommt bestimmt. :o)

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Sonntag, 27. Dezember 2009
Verko(r)kst
Jeder hat es schon einmal gesehen. Eine Linie weißen Pulvers, säuberlich auf einen kleinen Spiegel gezogen. Eine 100-Dollar-Note wird zusammengerollt, ein Ende in die Nase gesteckt, das andere Ende über die Linie aus Schnee gehalten. Dann wird richtig eingeatmet, und schwupps, ist der Spiegel wieder sauber. Und wenn man alles richtig gemacht hat, dann legen sich im Hirn einige Kontakte um und man fliegt, schwebt, fällt, schwimmt, taucht – was auch immer. Wenn man es richtig macht.

Und genau damit hat jemand offensichtlich ein Problem. Nämlich die Bahn. Genauer, die ICE-Züge der Bahn.
Wer Weihnachten die Bahn nutzen wollte, musste sich erst einmal durch Ersatzfahrpläne durcharbeiten, um schließlich festzustellen, dass sein Lieblingszug gestrichen wurde. Also umdisponieren und hoffen, dass nicht halb Deutschland dann genau den noch verbliebenen ICE nehmen wird. Die Bahn hat ein wenig herumgedruckst, den Ausfall im Detail zu begründen. Aber letzten Endes rückte man mit der wirklichen Erklärung heraus. Nicht die Kälte an sich hätte dazu geführt, dass die ICEs reihenweise in den Lokschuppen eingeliefert werden mussten. (Schlimm genug, dass man bei der Konstruktion der ICEs den Klimawandel missverstanden und außerdem schon etwas vorgezogen hatte. So schaun die Bahnbeamten jetzt ratlos auf das Thermometer und wundern sich, wieso es im Winter friert. Mitten in Deutschland.) Nein, das wirkliche Problem war diffiziler. Im Wortlaut der Bahnleute hört es sich so an: Die Züge zögen sich durch ihre Lüftungsschlitze soviel Pulverschnee rein, dass dies schließlich zu Störungen an der Bordelektronik geführt hätte.
Na? Klingelt’s? Genau. Hier will einer und kann nicht. Hier sind die Lines zu lang gezogen, der Schnee ist von der falschen Sorte, er wird zu gierig durch die Lüftungsschlitze eingesogen oder was auch immer. Jedenfalls scheinen sich dann die falschen Kontakte umzulegen, und statt zu gleiten oder zu fliegen bleiben die verschnupften ICEs einfach stehen.

Man darf gespannt sein, wie die Bahn dieses Problem lösen wird. Der Spezialist für ein mögliches Mehtadorn-Programm ist ja gegangen. Auch an den Dealer ist sehr schwer heranzukommen, seit Kopenhagen offensichtlich noch ein bissl schwerer. So wird der Bahn nichts weiter übrigbleiben, als die betroffenen Züge wieder auf die Straße, also auf die Schiene zu schicken - in der Hoffnung, dass nur gesunde und legale Dinge in die Lüftungsschlitze geraten. Das Bordpersonal kriegt einen Streetworker-, ähm, Railworker-Crashkurs und die Schneeräumer der Bahn werden von den einschlägigen Spezialisten der Polizei unterstützt.
Aber vielleicht kriegen die ICEs auch bald das Gefühl für die richtige Dosis, und statt stehen zu bleiben, wird abgehoben. Eine völlig neue Perspektive für die Bahn, schwere Zeiten für die Lufthansa.
Schaun wir mal.

Bis dahin schöne Feiertage und einen guten Rutsch an alle Blogger, Blogleser und an eine sehr spezielle Blogleserin (ich weiß, das ist jetzt ein ganz hinterhältiger Test :o)).

Und natürlich schön viel Schnee für alle! :o)

***

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Samstag, 6. Dezember 2008
Bahn-frei
„Die Bahn geht an die Börse!“ Klar, muss sie ja. Denn Fahren geht nicht. Zumindest nicht mit der Bahn. Also muss sie gehen, an die Börse. Und so tun, als ob alle liefe, bei der Bahn. Was ja auch stimmt. Denn Fahren geht ja nicht ...

Wer die Strecke München-Berlin regelmäßig zu befahren hat, weiß wovon ich rede. Ersatzzughopping und Bahnsteigjumping als neue Extremsportarten - stehen, laufen, gehen statt fahren. Terminplanung einmal anders. Knüpfen sozialer Kontakte unter emotional interessanten Bedingungen und so.
Im Übrigen ist schon klar, warum es diese Strecke betrifft. Denn genau zwischen München und Berlin liegt Leipzig. Das Mekka aller Ersatzzüge. Alternativer Weihnachtsmarkt auf den Bahnsteigen. Und die Heimat von Verkehrsminister Tiefensee, Leipzigs Ex-Oberbürgermeister. Kein Wunder also, dass Mehdorn genau hier illustriert, was es im Detail heißt, dass die Bahn auf gutem Wege an die Börse ist. Zumal ihm der Weihnachtsbonus gestrichen wurde, von Tiefensee, mehr oder weniger.

Aber gut, ich wollte eigentlich nicht mehr so oft von der Bahn schreiben. Also lassen wir es laufen. Und lassen Mehdorn gehen, an die Börse. Und fahren fort. Nur nicht mit der Bahn ...

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Freitag, 8. Februar 2008
Überraschung
Wieder mal im Zug. Ich weiß, es fängt jedesmal so an. :o) Und geht auch immer ähnlich weiter. Heute zum Beispiel. Die üblichen Kettendurchsagen auf dem Berliner Hauptbahnhof: Wegen Wagentausches fährt die Regionalbahn X nicht durch, ein Ersatzzug steht bereit. Weil dieser bereit steht, kommt der für den betreffenden Bahnsteig geplante ICE einen Bahnsteig weiter an. Was nur deshalb geht, weil der dort eigentlich erwartete Zug Verspätung hat...

Während ich versuche, den Überblick zu behalten, beginnt zwei Stockwerke über mir auch auf dem Hauptbahnhof die Berlinale.
Na gut, Scorsese und Jagger sinds nicht, aber immerhin Thailand, Kunst, Musik und Feuerwerk. Meine eigenen Berlinale-Termine sind aber erst nächste Woche, also konzentriere ich mich auf die Logistik meines Heimweges nach Leipzig.

Mein Zug kommt pünktlich. Dafür gehen die Reservierungsschilder nicht. Das hat den Effekt, dass in dem gut besetzten Wagen die Kommunikation unter den Fahrgästen erheblich befördert wird, noch bevor sie es selber werden. So nach dem Motto: Eigentlich ist das mein Platz. - Nö, isses nicht, wenn nix dran steht, ist nicht reserviert. Aber setzen Sie sich doch da drüben hin, da ist noch frei. - Nein stimmt nicht, da sitze ich. Mit Platzkarte, eigentlich. Na ja.
Kurz nach der Abfahrt dann die Durchsage des Zugführers: Bedauerlicherweise seien die Leuchtschilder ausgefallen, wegen eines „komplexen Computerproblems, das leider erst heute Nacht in der Werkstatt behoben werden kann. Ich hoffe, wir werden gemeinsam damit fertig. Vielen Dank für Ihr Verständnis!“
Na gut. Ich sitze. Also habe ich es, das Verständnis. Ist ja auch eine Sache der Routine, Verständnis für die Ecken und Kanten einer Bahnfahrt zu entwickeln.

Dann passiert das Unerwartete.
Der Kellner aus dem Speisewagen läuft an unseren Zweite-Klasse-Sitzen vorbei und bietet an, uns am Platz zu bedienen. Ich teste das und bestelle mir ein Hefeweizen. Tatsächlich. Es klappt. Klar, bezahlt werden muss es trotzdem, ganz soweit ist die Bahn dann doch noch nicht. Aber immerhin, es tut gut, nach dem Fingerfood meines Berlin-Termins jetzt wohltemperierte Kohlensäure hinterher zu schütten. Außerdem hab ich so doch gleich wieder was zu bloggen. Prost! :o)

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Freitag, 14. September 2007
Aufsteigende Hitze
Und wieder mal im Zug.
Aber etwas ist anders. Ich hatte das Grauen, das die Bahn jedes Jahr im Herbst/Winter-Angebot hat, schon fast vergessen. Das Zugpersonal jedoch hat offenbar auf den Tag, wahrscheinlicher sogar auf die Stunde gewartet, an dem es sich wieder in vollen Zügen an der Klimakatastrophe beteiligen kann.
„Heizung freigegeben!“ mag die Mehdornsche Anweisung lauten.
Und dann geht es los. Der Komplex aus Reise-Viren-Zucht und Sauna-Ersatzangebot wird gestartet, dem Schmelzpunkt der ersten Kunststoffe gefährlich nahe gekommen. Die Apfelschorle wird auf Kaffeetemperatur gebracht, der Notebooklüfter kühlt die Umgebung statt des durchaus heißen Rechners. Die gefühlte Dreistelligkeit der Raumtemperatur hat so nach und nach fatale Auswirkungen auf die eine oder andere Körperfunktion.
Und man wartet vergeblich auf die Durchsage: „Werte Fahrtgäste. Im Wagen 27 ist auf Grund eines technischen Defektes die Heizung ausgefallen. Wir bitten dies zu entschuldigen!“ ...
Apropos Körperfunktionen. Irgendwie funktioniert das Texten nicht mehr so richtig. Kurz vor der Gerinnungstemperatur meines kreativen Eiweißes fange ich zu meinem eigenen Entsetzen an, in Reimen zu schreiben, im Rhythmus der Zugfahrt, im Gleichklang zum Ticken des Thermostaten.
Thema? Na was schon ... :o)

Thermostatisch

Die Bahn fängt wieder an zu heizen
und in den Wagen wird es richtig warm.
Die Reiseviren legen los, den Halz zu reizen,
der Schweiß läuft über Hals und Arm.

Die Müdigkeit ist ständiger Begleiter,
die Luft ist trocken, staubig, schwer und heiß.
Die Augen schließen sich, mein Mund verzieht sich heiter:
Ich träum’ von einer großen Kuh – aus Eis.

Der Schaffner kommt und macht dezenten Krach.
Die Eiskuh wird zu einem kleinen See.
Die Augen gehen auf und ich bin richtig wach,
und durchgeweicht, vom Scheitel bis zum Zeh.

Der Schaffner schaut mich an und lächelt.
„Da hat der Regen aber zugeschlagen!“
Er sieht nicht meine Zunge, wie sie hechelt.
Und er geht: „Ich heize mal den Wagen!“ ...

Natürlich hab’ ich maßlos übertrieben.
Die Heizung ist noch ziemlich moderat.
Ich wär auch gerne noch im Zug geblieben.
Brauch’ nur ein Bier, ein kühles, und ein Bad ...

:o)



Hatten wir schon mal, passt aber grad so gut... :o)

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Donnerstag, 15. Juni 2006
Du kriegst die Tür nicht zu …
Die Welt zu Gast bei Freunden. Gut. Aber die Freunde sind nicht da. Denn die stehen alle auf dem Kölner Hauptbahnhof und starren auf die Anzeigetafel. Dort summieren sich schlagartig die Verspätungen. 10 Minuten, 20, 30, 40. Die ersten Züge fallen aus, die nächsten bleiben auf dem Bahnhof stehen.
Geschehen gestern zwischen 15 und 16 Uhr.
Aber die Bahn reagiert schnell. Sofort stehen Servicemitarbeiter auf den kritischen Bahnsteigen und rechnen mit Laptops die günstigsten Ersatzverbindungen aus. „Sie kriegen ihren Anschluss noch, wenn Sie den ICE vom Bahnsteig 4 nehmen. Der hat erst 9 Minuten Verspätung.“ Also Koffer gepackt, Treppen runter. Treppen rauf. Ansage, dass dieser ICE inzwischen auch bei 20 Minuten Verspätung liegt. Glücklicherweise stehen auch hier die Service-Leute mit ihren Rechnern. „Also im Moment ist für die Richtung Frankfurt der ICE vom Bahnsteig 6 der günstigste. Oder am besten gleich den regulären der nächsten Stunde nehmen. Von Bahnsteig 8. Bis dahin sollte alles wieder im Lot sein.“ Zweifelnde Blicke der potenziellen Fahrgäste. Kurzes Nachdenken. Dann alles ab auf Bahnsteig 6. Und dann wieder retour. Und so weiter.

Ich habe mich für einen Zug entschieden. Und weiß nicht mehr ganz genau, auf welchem Bahnsteig ich nun eingestiegen bin. Nicht so wichtig. Hauptsache Klimaanlage. Und Losfahren.
In Frankfurt dann nicht nur Umsteigen, sondern auch vom Airport zum Hauptbahnhof per S-Bahn. Kein Problem, denke ich. Hauptsache erst mal raus aus Köln. Falsch! Nachdem ich gelernt hatte, dass ein Umsteigen auf Zeit auf dem Bahnhof Frankfurt Airport von Fernbahn auf S-Bahn soviel Arbeit bedeutet, wie einmal den Berliner Hauptbahnhof hoch und wieder runter, ging’s weiter. Wie gehabt. 10 Minuten Verspätung der S-Bahn.
Ist mir eigentlich auch egal. Die fahr’n schließlich oft genug. Nächster Irrtum. Sinnigerweise bleiben wir mit der S-Bahn genau auf der Autobahnüberquerung stehen. Sehen die sausenden Autos. Hören vom Fahrer der S-Bahn, dass jetzt noch bis zu 20 Minuten Verspätung dazu kommen können.
Und er hat recht.
Der Zug nach Leipzig ist weg.
Die Stimmung in der S-Bahn ist allerdings prächtig. Anhänger der "Togolesen" nutzen die Standpause, um uns alle zu Fans von Togo zu machen. Das entsprechende Gesangsritual inklusive. "Es gibt nur ein Togolesien! Es gibt nur ein Togolesien!"
Ja, so langsam glaube ich das auch. Und das befindet sich ausgerechnet in meinem S-Bahn-Wagen.

Auf dem Frankfurter Hauptbahnhof lasse ich mir wieder von einem blau-rot Uniformierten die Anzeigetafel erklären. Richtig geraten, der Leipziger Zug sei einer der wenigen gewesen, die pünktlich abgefahren seien. Exakt vor 5 Minuten. Nein, ich müsse nicht hier übernachten, da fährt noch ein Zug. Bald. Direkt durch nach Leipzig. Schön.

Im Zug sitzend, endlich, muss ich mir anhören, dass auch er nicht pünktlich losfahren wird. Alles haben wir heute schon gehabt. Eines noch nicht: "Es tut uns leid, aber die Abfahrt verzögert sich, weil wir eine Tür im Bistrowagen nicht zu bekommen." Aha. Kann ja passieren. Jeder kriegt ab und an mal eine Tür nicht zu. Warum nicht auch mal die Bahn.

Mich stört das inzwischen weniger. Der Zug wird nach Hause durchfahren, wenn er dann losfährt. Und die Bistro-Tür mag zwar klemmen, aber das Bistro selbst funktioniert. Mit einem eiskalten Hefeweizen spüle ich mir den Staub von mehreren deutschen Katastrophenbahnhöfen von der Kehle. Das Kondenswasser läuft langsam an der Außenseite des Glases herunter. Perfekt.



Während ich beobachte, wie hilflose Reisende ahnungslose Bahnangestellte mit simplen Fragen quälen, setzt sich der Zug so langsam in Bewegung.

Übrigens haben sich dann zwei sächsische Fußballfans an meinen Tisch gesetzt (Gruß nach Dresden !!!) und dafür gesorgt, dass der Tag noch einen angenehmen Ausklang fand. Irgendwann sind wir der zugweit bedeutendste Umschlagplatz für Weizenbiergläser. Und das Kompetenzzentrum für innerdeutsche Grenzverläufe.
In Leipzig eingefahren, habe ich zwar meinen Hefeweizenkonsum auf einem Zettel dokumentiert bekommen. Mit welcher Verspätung wir eingetroffen sind, weiß ich allerdings nicht mehr.
Egal. :o)

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Samstag, 3. Juni 2006
Real Drive
Im ICE 1015 zwischen Berlin und Leipzig. Heute 19.20 Uhr. Es knackt im Lautsprecher.
Zwei Minuten später greifen alle zum Handy. Warum?

Ganz einfach. In den dazwischen liegenden 120 Sekunden hatte der Schaffner uns informiert, dass die aktuelle Verspätung 43 Minuten beträgt. Also müssen die wartenden Freundinnen informiert, die Chauffeure hingehalten werden. Noch wenige Minuten früher betrug die Verspätung übrigens nur die Hälfte. Die hatte der Zug schon nach Berlin mitgebracht. Den Aufschlag gab’s dann wegen der nun notwendigen Umleitung. Ich will das jetzt nicht noch komplizierter machen, als es ohnehin schon war. Aber es scheint mir ein ganz probater Weg, wie man als unschuldiger Fahrgast nach jeder SMS an die wartende Freundin an Glaubwürdigkeit verliert. Wie man sich denken kann, sinkt auch die Motivation der Chauffeure mit jeder Minute, die draufkommt.
Da lauern persönliche Schicksale hinter der bloßen Addition von Minutenzahlen. Dramatische Auseinandersetzungen in den nächtlichen Ankunftsorten. Oder eine dramatische Stille. Weil die Freundin unter Umständen schon weg ist. Einfach so. Mit dem Zug. Obwohl, dann besteht die Möglichkeit, sie irgendwann einzuholen.

Übrigens war die Verspätung Folge einer eklatanten Triebschwäche. Genauer einer „Antriebsschwäche“. Denn eben das hatte der Schaffner als Ursache angegeben. Deshalb durfte der Zug auch nicht per Tunnel in den Berliner Hauptbahnhof einfahren. Den neuen. Und die wartenden potenziellen Fahrtgäste hatten die Chance, bei einem Wettlauf von ganz unten nach ganz oben den neuen Bahnhof mal von seiner besten Seite kennen zu lernen. Nämlich hinsichtlich seiner Rekordzahl an Stufen, die man dort von unten nach oben klettern kann. Wenn man will. Oder muss.
Aber selbst die Fahrgäste mit „Antriebsschwäche“ schafften es dann doch. Denn wie gesagt, der Zug brachte ja schon eine beruhigende Verspätung mit.

Die Hinfahrt heute Vormittag verlief dagegen ganz gemütlich. Weitestgehend jedenfalls. Denn ich hatte nur noch eine Platzkarte für das Raucherabteil bekommen. Kuhlumbus eine Stunde im Raucherabteil, das ist in etwa so, als würde man die Kuh Gasoline eine Stunde lang an den Elektrozaun lehnen. Vor mir saß eine gutgelaunte Fränkin, die lautstark die Beatles-Songs mitsang, die ihr der MP3-Player aufs Ohr knallte. Dazwischen gab’s nen Zug aus der Batida de Coco Pulle und andere AlkoPops. Da ich der einzige Flaschenöffner in Reichweite war, hab ich sogar mitzählen dürfen.



Die Kommunikationsversuche der anderen Fahrgäste mit der lustigen Raucherin waren nicht uninteressant. Der junge Mann ihr gegenüber knautschte seine Süddeutsche zusammen und setzte sich demonstrativ die Kopfhörer seines iPod auf. Allerdings machte er dabei einen so gequälten Gesichtsausdruck, dass man vermuten musste, er hörte sich jetzt zum dritten Mal den Podcast seines ungeliebten Chefs an. Oder so was.
Der junge Mann schräg hinter der Beatles-Frau dagegen stellte eine Flasche Moskovskaja Vodka auf das Ablagetischchen. Entweder er wollte einfach den Einsatz an Prozenten kommunikativ wirksam erhöhen (was allerdings ignoriert wurde), oder aber er konnte die Beatles nicht leiden. Und litt unter ihnen.

Im Moment wird gerade wieder telefoniert. Nach der letzten Ansage der Lottozahlen Verspätungsminuten. „Papa, ich komm heute nicht mehr nach Hause. Ich fahre jetzt durch bis Nürnberg und hoffe, dass meine Freundin noch da ist, wegen Pennen.“ „…?“ „Was ich mache, wenn sie schon weg ist? Weiß nicht, keine Ahnung...“
Ich sag’s ja. Ganze Schicksale kommen in Bewegung …
Wie ein ICE. Oder schneller. :o)

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Donnerstag, 6. April 2006
Geflutet
Wieder im Zug. Im ICE diesmal. Und endlich ein Tag, an dem meine Platzkarte nicht doppelt vergeben war. Ich habe ja den Verdacht, dass die Bahn das doppelte Vergeben der Platzkarten quasi als Ersatz für 0190er Nummern und das SMS-Voting eingeführt hat. Mit denen die Medien – einschließlich der Öffentlich-Rechtlichen – ihre Werbedefizite ausgleichen. So etwas kann die Bahn ja nicht, jedenfalls nicht in dem Maße wie die Fernsehsender. Da muss sie noch ein wenig an ihrer Zielgruppe arbeiten, die Bahn.
Irgendwann laufen dann bestimmt auch die Klingeltöne mit den besten Versprechern der Bahnkollegen, oder so. Und auf den deutschen Schulhöfen tauscht man begeistert Videos von spektakulären Überholvorgängen auf dem deutschen Geleise aus. Nicht mehr diese stupiden Prügelfilme. Aber ich schweife ab.

Denn eigentlich sollte es um die Flut gehen. Gerade eben haben wir Wittenberg durchfahren. Vorher ging’s über die Elbe. Und es war schon ein wenig beklemmend, den aufgewühlten und angeschwollenen Strom um die Brückenpfeiler sausen zu sehen. Wobei man die Brückenpfeiler zum Glück noch sehen konnte. Allerdings gerade noch so. Denn inzwischen hat der Pegelstand dazu geführt, dass ein Sprung von der Brücke in den Fluss nicht mehr viel anders ist, als ein behutsames Einsteigen in den heimischen Pool. Auch wenn einen in der Elbe etwas mehr Dynamik erwartet, als man es von seinem Pool gewöhnt ist.
Die Leute im Zug schauen mit gemischten Gefühlen aus dem Fenster. Einigen sieht man an, dass sie sich Gedanken darüber machen, wie wasserdicht so ein ICE ist, oder wie hoch das Wasser steigen muss, um einen Zug aus den Gleisen zu heben. Der eine oder andere hat sicher schmerzlich vermisst, was man von jedem Flug mit dem Flugzeug gewohnt ist – den nett vorgetragenen Hinweis, wo denn die Schwimmwesten zu finden sind.

Übrigens konnten wir den Nachrichten entnehmen, dass sich die Pegelspitze so langsam von Sachsen weg in Richtung Norden bewegt. Entwarnung für Dresden, was das Wasser angeht. Allerdings droht jetzt wieder Unheil aus einer Richtung, die man schon fast verdrängt hatte: Die Vogelgrippe meldet sich zurück, heute aus Sachsen. Und jetzt geht’s eventuell ans Eingemachte. Oder besser, ans Gebratene, ans gebratene deutsche Nutzgeflügel. Na ja, mal sehen.

Für alle die, die von diversen Verschwörungstheorien immer noch nicht genug haben, hier noch eine pikante Information: Wie aus gut informierten Kreisen zu hören ist, wurde der nahtlose Übergang von Flut zur Vogelgrippe in Sachsen zwischen zwei Parteien vereinbart, die schon lange als Drahtzieher diverser Katastrophen vermutet wurden. Unser Bild zeigt, wie die letzten Einzelheiten zwischen … Na? Richtig! … zwischen Fischen und Enten besprochen wurden.
Natürlich unter Ausschluss der Kühe. Das kann ja nix werden…

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Montag, 6. März 2006
Durchzug
Früher brauchte es eine Kuh.
Wenn eine Kuh auf die Gleise gekommen war und dort seelenruhig wiederkäuend herumstand, hatte der Lokführer keine andere Wahl, als den Zug zum Stehen zu bringen.
Bevor eine Menge Eisen auf eine Menge Kuh trifft.
Heute reicht eine tote Ente.
Statt eines Lasso schwingenden Cowboys kommt heute die Feuerwehr, mit Schutzanzügen. Wenn sie gerade in der Nähe sind, kommen auch die Seuchenleute von der Bundeswehr und entsorgen die Ente, fachmännisch. In Plastiktüten. Bei einer Kuh gäbe es da schon Probleme, mit den Plastiktüten.
Aber ich will’s nicht dramatisieren. Die Medien haben es ja eingesehen. Inzwischen ist der Schnee wichtiger, als es die vielen toten Schwäne sind. Sondersendungen im Fernsehen zum Schneeangriff auf Bayern. Danach brennt Dresden, 1945. Zwei Minuten zum Umdenken.
Aber man ist ja geübt im medialen Slalom, ab und zu wird eingefädelt, kommt vor.
Der Schnee also.
Auf meiner Zugfahrt heute, der ersten nach ein paar Tagen bronchial verursachter Reiseunlust, gibt es bis jetzt weder eine lebende Kuh noch eine tote Ente. Und nicht genug Schnee, um den Zug aufzuhalten.
Das heute lauernde Übel hat einen anderen Namen, ein anderes Gesicht: Der lange Winter lässt die Bahn ihre Wagen immer noch so richtig durchheizen. Ich halte die Heizsaison der Bahn für ein jährliches, groß angelegtes heimliches Viren- und Bazillenzuchtprojekt - auch wenn ich sonst kein Freund von Verschwörungstheorien bin (dazu halte ich den Menschen an sich schon für viel zu unvollkommen und auch ohne Geheimbünde für ausreichend hinterhältig).
Durch mein jahrelanges Bahngefahre bin ich inzwischen mit Sicherheit einer der treuesten Teilnehmer an diesem Experiment, und auch ausreichend leidgeprüft. Ich habe schon einen recht guten Blick für die jeweils neuesten Kreationen an Viren und Bazillen, die nur Minuten nach Beginn der Heizsaison in den Zügen der Bahn sichtbar werden, jedenfalls für mich. Diese Viehcher, wenn ich das mal so sagen darf, sind inzwischen so groß, dass man keinen Mundschutz bräuchte, um sie auszusperren. Heute reicht wohl schon ein Tischtennisnetz, oder besser ein Spaghettisieb, sicher ist sicher. Aber wer hat so was schon bei sich.
Und die Luft anhalten geht auch nicht, jedenfalls nicht so lange, wie ich brauche, um von Leipzig nach Magdeburg zu kommen. Und heute abend wieder zurück.
Also hoffe ich, dass die Zugfahrten schnell vorbei gehen und dass keine tote Ente die Fahrt aufhält.
Oder eine lebende Kuh.

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