Montag, 21. August 2006
Der Bär. Die Kuh. Und Norwegen. 3
Sterne. Wasser. Träume. Romantik.
Eigentlich wollte ich diese Geschichte allen mitlesenden Frauen widmen.

Aber ich habe heute eine Mail gekriegt, die alles ändert.

Lieber M., wenn du es möchtest, und deine Frau es noch zu hören vermag, lies ihr die Geschichte vor. Sage ihr, sie ist für sie. Und sage ihr, du wirst ein Bild dazu malen. Auch für sie.
Und herzlichste Grüße unbekannter Weise...

>>Zur Geschichte.

... comment

 
Licht
Arielle seufzte. Wenn man den vierten Abend hintereinander mit dem Bären in den Himmel über dem norwegischen Fjord schaut, dann hat man mindestens 20 mal das Wort „Romantik“ gehört. Oder öfter. Die Farben, die Wolken, die Sterne. Alles versetzt den Bären in eine Stimmung, die für Arielle schwer nachzuvollziehen war.

Oder erst eine Sternschnuppe! Dann war der Bär gar nicht mehr zu halten! Er sprang auf und wedelte mit seinen Tatzen durch die Luft. „Hast du dir auch was gewünscht?“ fragte er dann. Arielle hatte das erste Mal mit den Schultern gezuckt. So ein Quatsch. Wie sollte das denn funktionieren? Beim zweiten Mal hatte sie nur so aus Spaß mitgemacht. Zu ihrer großen Überraschung hatte es sogar geklappt! Wunschgemäß klingelte Sekunden später das Telefon und der Bär hastete in die Küche des Ferienhauses. Natürlich war keiner dran. Aber Arielle nutzte die Gelegenheit, sich ebenfalls ins Innere des Hauses zu verziehen. Sie hatte keine Lust, auch noch die nächsten Stunden an den Himmel zu starren und zuzuhören, wie der Kuhlumbusbär den vielen Sternen Namen gibt.
Den Polarstern nannte er Liesbeth, kalt und richtungsweisend. Der große Gasförmige am anderen Ende des Himmels musste natürlich Gasoline heißen, der weiße Riese daneben Adelheid. Arielle hatte keine Lust, diesem Unsinn weiter zuzuhören.
Wer weiß, vielleicht wäre es anders gewesen, hätte der Bär gleich den ersten Stern Arielle genannt.

Wie auch immer, der Bär stand verdutzt am Telefon, den piepsenden Hörer neben seinem Ohr und Arielle war auf dem Weg zur Couch, die Fernbedienung für den Fernseher in der Hand. Sie hatte gestern einen Sender gefunden, der dauernd irgendwelche Kühe zeigte. Sicher ein indischer Sender, hatte Kuhlumbus gemeint, zumindest hoffe er es, was Arielle allerdings nicht verstand. Egal. Hauptsache nicht mehr auf der Terrasse sitzen und sich den Hintern verkühlen.

Am nächsten Tag hatte der Bär sich getraut, nach seinem Angeldesaster von letzter Woche wieder die Rute auszuwerfen. Aber alles, was er gefangen hatte, war ein Seestern.
Arielle hatte erstaunt auf das zackige Etwas gesehen. So klein waren die Sterne, die unter Wasser den Himmel für die Seekühe und Meerjungfrauen bedeckte? Und der leuchtete ja gar nicht! Der Bär beruhigte Arielle. Der Stern würde schon noch anfangen zu leuchten, spätestens wenn es draußen dunkel werde.



Als der Bär wieder zu seiner Angel gegangen war, legte sich Arielle neben den Stern. „Hey, Stern, leuchte doch mal!“ Keine Reaktion. Vorsichtig schaute Arielle sich um, auf keinen Fall durfte der Bär sie dabei erwischen, wie sie mit einem Seestern sprach. „Nun mach schon, wenigstens ein bisschen. Ich bin nämlich auch eine halbe Seekuh! Mütterlicherseits. Sagt man. Und ich würde liebend gern einen Seestern leuchten sehen, so wie es meine Brüder und Schwestern unter Wasser tun können.“ Aber der Seestern blieb dunkel. Und schwieg. Arielle schaute ihn an. Vielleicht würde er tatsächlich erst im Dunkeln leuchten. Ein ganz klein wenig schien er es auch jetzt schon zu tun. Sie hatte Geduld. Sie würde hier neben dem Stern warten, bis er in hellem Licht erstrahlt.
Sie schloss die Augen und versuchte sich vorzustellen, wie der Nachthimmel unter Wasser aussah. Vor ihren Augen entstand das Bild eines bunten nächtlichen Treibens unter Wasser. Seekühe, die sich vom Tagewerk bei einem Algencocktail erholten, Meerjungfrauen, die für ihre Gäste sangen, kleine Krabben, die die verschiedensten Leckereien aus Seegras mit sich herumtrugen und feilboten. Und über allem ein buntes Funkeln, verursacht durch die unzähligen Seesterne, die mit tausendfachem Licht ein helles buntes Dach über all dem ausbreiteten...

Als der Bär mit seiner Angel wieder auf die Terrasse kam, sah er Arielle neben dem Seestern liegen und schlafen. Ein verträumtes Lächeln lag auf ihrem Gesicht. Der Bär seufzte. Da hatte er ja was angerichtet. Bestimmt hatte sie ihm seine Geschichte über die leuchtenden Seesterne geglaubt. Wenn sie beim Aufwachen den dunklen Stern neben sich sähe, wäre der leise Anflug einer romantischen Stimmung bei Arielle sicher sofort erloschen. Dunkel und leblos wie der Seestern. Da nahm der Bär den Stern und warf ihn wieder in das Wasser. Vielleicht war wenigstens noch ein Rest Leben in ihm, auch wenn er mit Sicherheit nicht leuchten würde.
Arielle würde er erzählen, wie er von weitem den immer heller werden Stern zum Wasser kriechen gesehen hatte. Denn die leuchtenden Seesterne brauchten viel Wasser für ihr Licht.

Der Bär sah auf den nächtlichen Fjord. Das Wasser war glatt wie eine Fensterscheibe und auf seiner Oberfläche spiegelten sich die Sterne. Es sah aus, als würden unter Wasser die gleichen Sternbilder den Himmel zieren, wie über dem Fjord. Als würden die gleichen uralten Formationen der Unterwasserwelt den Weg weisen, wie sie es seit Urzeiten in unserer Welt tun.
Nur spiegelverkehrt.

Da wusste der Bär, dass er nachher Arielle zeigen konnte, wie ihr kleiner Seestern leuchtete.
Tief unten im Wasser, weit weg vom Ufer.
Ein kleiner, ewig leuchtender Punkt ...

... link  

 
Was für eine...
...traumhafte kleine Geschichte. Gibt's dazu auch noch ein Bild vom Sternenhimmel? ;o)

... link  

 
Den
Großen Bären zum Beispiel? :o)
Na ja, mal gucken, ob ich ne Karte vom Unterwassersternenhimmel bekommen kann. Bin da aber eher skeptisch ...

... link  


... comment
 
da wird selbst mein antiromantisches herz weich. ;)

... link  

 
Ach was,
du bist viel romantischer, als dein Webdesigner meint. :o)
Der kleine, größer werdende, grün leuchtende Punkt ... :o)

... link  

 
Ach...
ich wäre auch gerne irgendein kleiner leuchtender Punkt in diesem Universum... seufz... ;-)

... link  

 
*seufz*
:o)

... link  

 
ich bin ja nur antiromatisch, wenn romantik meistens billig verkauft wird. dabei versteht man nur selten, sie zum wahren preis feilzubieten, nämlich als geschenk. und diese geschichte ist solch ein geschenk.

... link  

 
Sehr
schön und treffend gesagt. :o)

Übrigens.
Manchmal liegt auch in der kostenlos herausgeschrienen morphinen Schwärze viel mehr Romantik, als im plüschigen Rosa, mit einem kleinen aber unmissverständlichen Preisschild dran.
Manchmal ist Melancholie oder Zweifel viel romantischer als selbstsicherer und zielbewusster Charme.
Manchmal ist es voller Romantik, den einen Stern am Himmel zu vermissen, statt sie alle routinemäßig vom Himmel zu holen.
Manchmal erkennt man, dass selbst der Tod irgendwo, unter all dem Schmerz, neben all der erfahrenen Ungerechtigkeit und Last eine ihm eigene Romantik verbirgt. Die es leichter macht, mit ihm umzugehen.

Und um Letzteres ging es auch in der Widmung der Geschichte, bei der Richtung des Geschenks...

... link  

 
oh ja. das passt auch zu meiner auffassung von "sehnsucht als motor des lebens".

... link  


... comment
 
mal wieder...
...auch ein paar wenige worte von mir. hatte ja viel nachzuholen hier seit ich weg war und wieder da bin. viel mehr romantik und damit wunderbar getragener schreibstil, dem leider die komik weichen musste. man kann halt nich alles haben, nich?

... link  

 
Oh,
es wird auch wieder komisch werden. Muss ja. *Seufz* :o)
Nach meinem Messemarathon werd ich wieder ein bissl die Kuh fliegen lassen. Bestimmt.

... link  


... comment
 
du bist nicht mehr allein!
http://einfachso.blogger.de/stories/538934/

... link  

 
Oder
eben noch viel einsamer, unter lauter dialektischen Kühen.
Wobei schon interessant wäre, wieweit des Bären Herde sein nordisches Brummen angenommen haben ...

... link  


... comment